Noch einmal über den Klima-Konsens

Eigentlich hatte ich nicht vor die Debatte über die globale Erwärmung fortzuführen, denn ich kann nicht von mir behaupten Experte in diesem Thema zu sein, noch liegt sie in meinem Interessenbereich. Da es aber gerade „in“ ist darüber zu debattieren, wurde ich auf einen Artikel von Markus Fiedler aufmerksam gemacht, welches den Titel „Die 97% Einigkeit unter Wissenschaftlern, die es nie gegeben hat“ trägt (in Folge Fiedler 2020). Es bezieht sich auf die Studie von Cook et al. (2013), die bei einer Analyse von knapp 12.000 „abstracts“ von wissenschaftlichen Studien gezeigt haben, dass 97% der Studien sich darüber einig sind, dass der Mensch Hauptverursacher der jetzigen globalen Erwärmung ist. Fiedler (2020) will diesen Konsens der Klimawissenschaftler widerlegt haben wollen. Seiner Analyse nach seien die 97% Einigkeit eine statistische Manipulation von Cook et al. (2013). Denn dem Leser werde „systematisch verheimlicht, dass lediglich 0,54% aller Autoren, die etwas zum Klimawandel schreiben, den Menschen als wesentlichen Treibers des Klimas sehen.

Nun sollen es also statt 97% nur 0,54% aller Studien sein. Das Ergebnis von einem halben Prozent statt 97% wirkt schon sehr auffällig. Deswegen sollen hier die Argumente Fiedlers kritisch überprüft werden, um herauszufinden, ob bei Cook et al. (2013) tatsächlich „manipulative Fehler“ vorliegen und Fiedlers Kritik berechtigt ist.

UPDATE 15.02.2020: Mittlerweile habe ich die Verlinkung zu einer Diffarmierungsseite aus meinem Originaltext entfernt, weil Fiedler sich dadurch gestört fühlte. Weiteres siehe hier: Klima-Konsens: Fiedlers (vorläufige?) Antwort

Wer ist Markus Fiedler?

Laut Eigenauskunft ist Markus Fiedler Klavier- und Keyboardlehrer mit über 15-jähriger Berufserfahrung, Biologe mit Hauptfächern Molekulargenetik und Mikrobiologie, Lehrer mit den Fächern Musik und Biologie, Tonstudiobetreiber und Wikipedia-Kritiker. Zweifelsohne eine lobenswerte Karriere.  Uns soll aber nicht seine Person interessieren, sondern sein Beitrag. Keineswegs soll daher meine Kritik an Fiedlers Kritik der Studie von Cook et al. (2013) abwertend, respektlos oder feindlich sein, sondern die Diskussion vorantreiben und Missverständnisse beseitigen (die auch meinerseits vorliegen können). Ich werde auch die politische Propaganda des „Klima-Notstandes“, „FFF“, „CO2-Steuer“ etc. (an der es durchaus berechtigte Kritik gibt) beiseitelassen und mich auf die wissenschaftlichen Fakten des Klimakonsens konzentrieren.

Die Studie von Cook et al. (2013)

Cook et al. (2013) untersuchten wissenschaftliche peer-Review Artikel zum Klimawandel, die zwischen 1991 und 2012 publiziert wurden. Es waren 11.994 wissenschaftliche Arbeiten, deren Abstracts gelesen wurden. Abstracts sind die Zusammenfassungen von Studien in Fachmagazinen. Diese 11.994 Abstracts wurden danach untersucht, ob die Autoren der Arbeiten davon ausgehen, dass der Mensch der Hauptverursacher des jetzigen Klimawandels ist. Cook et al. (2013) teilten diese Studien in 7 Kategorien ein (zitiert nach Fiedler 2020):

 1: Äußern sich explizit zum AGW (menschgemachter globaler Erwärmung) und ordnen dem Menschen mehr als 50% Anteil am Klimawandel zu.
2: Äußern sich explizit zum menschgemachten Klimawandel, jedoch quantifizieren oder minimieren den Anteil nicht.
3: Äußern sich implizit zum menschgemachten Klimawandel (z.B. durch Erwähnung desselben).
4: Nehmen keine Position ein.
5: Minimieren oder lehnen den menschgemachten Klimawandel wenigstens implizit ab
6: Minimieren oder lehnen den menschgemachten Klimawandel explizit ab, quantifizieren aber nicht den Anteil.
7: Lehnen den menschgemachten Klimawandel ab und behaupten, der menschliche Anteil liegt unter 50%.

Cook et al. (2013) ließen auch eine Reihe von Wissenschaftlern ihre Arbeiten selbst bewerten, um sicherzustellen, dass die wissenschaftlichen Studien nicht falsch eingeordnet wurden (diesen Satz sollten Sie sich unbedingt merken, denn darauf werde ich später noch zu sprechen kommen). Von den 11.994 untersuchten Abstracts hatten über 66,73% keine Position zum Klimawandel (Kategorie 4). 64 Studien (oder 0,54%) wurden der Kategorie 1 (Mensch hat über 50% Anteil am Klimawandel) zugeordnet. Kategorie 2 und 3 (Mensch hat Anteil am Klimawandel, wird jedoch nicht quantifiziert) umfassen etwa 32,6% der Studien. Die Kategorien, die den menschlichen Anteil am Klimawandel ablehnen oder minimieren (Kategorien 5-7) machen etwa 0,66% der Studien aus. Von allen Studien, die sich zum Klimawandel äußern (also ohne die 66,73% der Studien aus Kategorie 4) sind nach Cook et al. (2013) etwa 97% der Studien darin einig, dass der Mensch einen wesentlichen Anteil am Klimawandel hat. Die Zahlen stammen von Fiedler (2020) und stimmen mit den Zahlen von Cook et al. (2013) überein.

UPDATE 19.02.2020:

Fiedler macht zu Beginn einen gravierenden Übersetzungsfehler, der auch weitere Folgen für seinen gesamten Artikel hat. Bei der Einteilung der 7 Kategorien von Cook übersetzt Fiedler das Wort „endorse“ mit „sich äußern“, also im Sinne von „erwähnen“. Diese Übersetzung ist aber nicht richtig. „Endorse“ wird überall mit „zustimmen“, „befürworten“, „billigen“, „unterstützen“ übersetzt. Das heißt aber wiederrum, dass die Studie von Cook die Studien nicht danach ausgewählt hat, ob diese den anthropogenen Anteil explizit oder implizit erwähnen, sondern ob sie der Hypothese zustimmen, dass der anthropogene Anteil einen Einfluss auf das Klima hat. Dieser Übersetzungsfehler hat natürlich Konsequenzen für Fiedlers eigene Einteilung der Studien der Kategorie 2. Das wird in Folge gezeigt.    

Fiedlers Kritik

Fiedler hat sich die Studie von Cook et al. (2013) angesehen und kam zu dem Ergebnis, dass diese Studie manipulativ sei, da nur 0,54% der Studien (Kategorie 1) den Menschen als Hauptverursacher (über 50%) ansehen. Weiterhin kritisiert er, dass die Kategorien 1-3 zusammengefasst werden (32,6% der Studien). Er schreibt: „Vor allem die vollkommen unbestimmten Äußerungen aus Kategorie 3 zum Klimawandel und die stark variierenden Meinungen aus Kategorie 2 zum menschlichen Anteil am Klimawandel (von viel bis wenig) wurden hier einfach mit denen zusammengefügt, die sich absolut sicher über den überwiegenden Anteil des Menschen am Klimawandel sind. Gefolgt von der Behauptung, dass alle betroffenen Wissenschaftler sich einig wären über den menschgemachten Klimawandel.“ Fiedler sieht also eine Kritik darin, dass nicht quantifizierte Aussagen des menschlichen Anteils an der globalen Erwärmung mit jenen zusammengewürfelt werden, die quantifizierten Aussagen machen.

Fiedler kritisiert auch, dass es manipulativ sei, die 66,73% der Studien, die sich nicht zu den Ursachen des Klimawandels (ob Mensch oder nicht) äußern, aus der Statistik weggelassen werden: „Durch diesen rechnerischen Taschenspielertrick bezogen sich die Ergebnisse nur noch auf ca. 33% der Gesamtstichprobenmenge. Und dann steht am Ende die Aussage, dass die überwältigende Mehrheit (97%) der Wissenschaftler einen menschgemachten Einfluss am Klima erkennt. Daraus machen dann nicht wenige Lei(d/t)medien, dass über 97% der Wissenschaftler einen wesentlichen Anteil des Menschen am Klimawandel sehen.“ Das findet Fiedler „bemerkenswert“.

Ein weiterer Kritikpunkt Fiedlers ist es, dass er Cook et al. (2013) vorwirft gewisse Rohdaten falsch zuzuordnen. So zitiert Fiedler den Abstract von Karl Tr, Kukla, G. et al.: Global Warming – Evidence For Asymmetric Diurnal Temperaturechange. In Geophysical Research Letters. 1991. Cook et al. (2013) ordnen diese Arbeit in Kategorie 2 ein, Fiedler in Kategorie 6 oder 7 (dazu später mehr). Es gäbe nach Fiedler mehr solcher falschen Zuordnungen, die er auflistet.

Weiterhin zitiert Fiedler einige Kritiker der Studie von Cook et al. (2013), u. a. auch den Klimawissenschaftler Scafetta, der hauptsächlich in der Sonnenaktivität die Ursache des Klimawandels sieht.

Fiedler wird zum Ende des Artikels jedoch unsachlich, wenn er schreibt:

Abweichende Meinungen gibt es unter den Skeptikern kaum. Diese selbsternannten Skeptiker sind Dogmatiker und fanatisch wissenschaftsgläubige Atheisten, die Religionen strikt ablehnen. Wäre der Begriff „Scientology“ nicht schon anderweitig besetzt, dann wäre es genau der richtige Ausdruck für diese Gruppe. Skeptiker gehören auch nicht selten zu den sogenannten Antifa-„Antideutschen“, die vom Verfassungschutz beobachtet werden.

Ich für meine Person bin weder Antideutsch, noch habe ich ein Problem mit religiösen Menschen, sofern diese nicht fundamentalistisch sind. Aber natürlich bin ich Atheist. Schlimm? Wer so polemisiert wie Fiedler, sollte sich nicht wundern, nicht gleich ernst genommen zu werden. Wenn es Fiedler um die wissenschaftliche Wahrheit geht, warum solche Aussagen? War seine Arbeit zumindest bis zur Aufzählung gefundener angeblicher oder tatsächlicher Fehler von Cook et al. (2013) lesenswert, so verliert er mit solchen Aussagen seine Sachlichkeit. Schade drum!

Natürlich kommt Fiedler nicht umhin den wissenschaftlichen Konsens als solchen anzugreifen:

Viele Zuschauer schlussfolgern mit Sicherheit, dass eine weithin etablierte Meinung von Wissenschaftlern auch mit höherer Wahrscheinlichkeit richtig oder insgesamt richtiger sein muss, als eine solche, die nur von einzelnen vorgebracht wird. Das ist aber grober Unfug. Die Mehrheit der Wissenschaftler kann auch irren. Das ist schon in aller Regelmäßigkeit vorgekommen. Es reicht ein hieb- und stichfesten Nachweis für das Gegenteil und schon ist die Mehrheitsmeinung hinfällig. Klassische Beispiele dafür gibt es zahlreiche. Erwähnen möchte ich hier nur die „Phlogiston“-Theorie oder die „N-Strahlen“, die viele plausibel fanden, die sich aber als falsch herausgestellt haben. Anders herum haben es neue Ideen aufgrund von einflussreichen Dogmatikern sehr schwer, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft Anklang zu finden. Zum Beispiel Alfred Wegener, der die Kontinentaldrift 1915 bekannt machte. Erst als er und seine Kritiker gestorben waren, wurde die Kontinentaldrift anerkanntes wissenschaftliches Allgemeinwissen. Eine Mehrheitsmeinung wissenschaftlich bestimmen zu wollen macht also vom wissenschaftlichen Ansatz her keinen tieferen Sinn.“

Sehen wir von Fiedlers beißender Polemik gegen atheistische, dogmatische Skeptiker ab (hat Fieder etwa einen Hang zum Kreationismus?), wirken seine Argumente überzeugend. Bei genauerem Hinsehen erweisen sie sich aber als fehlerhaft. Traue einer Statistik niemals, die du nicht selbst gefälscht hast. Traue aber noch weniger einem, der vorgibt eine Manipulation gefunden zu haben, ehe du nicht seine Statistik selbst untersucht hast!

Daher werde ich im Folgenden Fiedlers Fehler aufzeigen.

Zur Frage des Konsens

Zuerst möchte ich nochmals darlegen, was man unter wissenschaftlichem Konsens versteht, bzw. was mit „wissenschaftlich etabliert“ gemeint ist. Schließlich gibt es ja Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass etwas wissenschaftlich niemals etabliert sein kann, ein Konsens ja nicht herrschen könne. Wie Fiedler sagt, es reiche nur ein hieb- und stichfester Nachweis aus, um eine Mehrheitsmeinung zu Fall zu bringen. Das ist technisch richtig, kann aber irreführend sein und bedarf einer Klärung. Es ist wahr, dass die Wissenschaft von Natur aus keine „Beweise“ liefert. Die Wissenschaft zeigt uns vielmehr, was angesichts der gegenwärtigen Beweise am wahrscheinlichsten wahr ist. Insofern ist es wahr, dass etwas niemals zu 100% wissenschaftlich belegt ist, weil es technisch immer möglich ist, dass wir etwas übersehen haben. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen einer technischen Möglichkeit und praktischen Zweifeln. Zum Beispiel ist es technisch möglich, dass wir uns irren, dass Rauchen Krebs verursacht. Es ist technisch möglich, dass alle unzähligen Studien zu Rauchen und Krebs falsch sind und das Rauchen tatsächlich sicher oder sogar vorteilhaft ist. Darüber hinaus gibt es sogar eine Handvoll Ärzte, die behaupten, Rauchen verursache gar keinen Krebs. Bedeutet das, dass die Wissenschaft zu diesem Thema nicht “etabliert” ist oder dass es ernsthafte Debatten zu diesem Thema gibt? Natürlich nicht! Der Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs wurde von so vielen Studien unabhängig voneinander belegt, dass die Chancen, dass wir falsch liegen, wahnsinnig niedrig sind. Sie sind so niedrig, dass wir sie in jeder Hinsicht so behandeln können, als wären sie Null.

Dies gilt für eine Vielzahl wissenschaftlicher Themen. Es gibt viele Dinge, die so gründlich untersucht wurden, dass sie als wissenschaftlich etabliert gelten und es macht keinen Sinn, darüber zu sprechen, als ob es irgendwelche praktischen Zweifel gibt. Es wäre zum Beispiel absurd, wenn ein Politiker sagt: „Die Wissenschaft ist sich nicht einig, daher können wir nicht wirklich sicher sein, dass Rauchen Krebs verursacht.“ Die Verbindung zwischen Rauchen und Krebs ist im eigentlichen Sinne „geklärt“ unterstützt durch solch eine Fülle von Beweisen, dass es außerordentlich unwahrscheinlich ist, dass wir uns darin irren. Dasselbe gilt, wie ich zeigen werde, für den Klimawandel.

Es gibt zwei verschiedene Ebenen, auf denen wir über einen Konsens sprechen können. Auf einer Ebene besteht ein Konsens von Experten. Mit anderen Worten, dies liegt vor, wenn sich die überwiegende Mehrheit der Experten auf etwas einigen. Dies ist, woran die meisten Menschen denken, wenn sie an einen wissenschaftlichen Konsens denken, aber es ist eigentlich nicht das, was mit Konsens gemeint ist. Wenn es darum geht etwas als Konsens darzustellen ist nicht die Meinung von Forschern relevant, sondern die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien, man stützt sich also auf den Konsens der großen Anzahl von Studien, die aufeinander aufbauen und zu bestimmten Erkenntnissen kommen. Der Konsens der Experten ist ein sekundäres Nebenprodukt des Konsenses der gesammelten Evidenzen. Dies ist das Niveau, auf das wir schauen müssen, wenn wir Fragen stellen wie: “Gibt es eine ernsthafte Debatte über Thema X.” Wissenschaft ist keine Demokratie. Es geht um Beweise, nicht um Autorität. Das bloße Finden von Leuten mit Hochschulabschluss, die mit X nicht einverstanden sind, bedeutet nicht, dass es ernsthafte wissenschaftliche Debatten über das Thema gibt. Wenn es ernsthafte Debatten gibt, werden diese eher in der von Fachleuten geprüften Literatur reflektiert, da die Leute Artikel veröffentlichen, die Beweise dafür liefern, dass X nicht korrekt ist. Das ist also wirklich die Ebene, auf die wir uns konzentrieren sollten, wenn wir über einen wissenschaftlichen Konsens sprechen: die Beweise, nicht die Experten.

Trotzdem ist es wichtig, dass sich Experten in der Öffentlichkeit einig sind. Niemand kann ein Experte für alles sein, und obwohl wir im Idealfall immer nach einem Konsens der Beweise suchen würden, gibt es viele Themen, zu denen eine bestimmte Person einfach nicht in der Lage ist, dies zu tun (dies gilt für alle, mich eingeschlossen). Wenn Sie also auf diese Themen stoßen, ist es sinnvoll, einen Konsens von Experten zu suchen, da ein Experte im Durchschnitt mehr über das Thema seines Fachwissens als ein Laie weiß und ein Konsens von Experten in der Regel einen Konsens von Beweisen widerspiegelt.

Rosinen-Picken

Ich möchte hier eine Sekunde innehalten, um den vorherigen Satz näher zu erläutern. Zu so ziemlich jedem Thema kann man einen Experten auswählen, der eine extreme Position einnimmt. Wir können Ärzte finden, die der Meinung sind, dass HIV kein AIDS verursacht, Immunologen, die Impfungen für gefährlich halten, Biologen, die die Evolution ablehnen usw. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es zu diesen Themen keinen Konsens von Experten gibt. Man wird keine hundertprozentige Übereinstimmung unter Experten zu so gut wie jedem Thema finden. Das ist also nicht der Standard, nach dem wir einen Konsens von Experten bewerten. Die Tatsache, dass Sie einen Experten gefunden haben, der Ihnen absolut zustimmt, bedeutet nicht, dass Ihre Position legitim oder wissenschaftlich gültig ist. Es ist immer möglich, Experten auszuwählen, die Ihnen zustimmen, und Sie sollten unbedingt vermeiden, in diese Falle zu tappen. Wenn Sie zu 100 Ärzten gehen und alle außer einem von ihnen sagen, dass Sie Krebs haben, sollten Sie demjenigen nicht vertrauen, der anderer Meinung ist, und behaupten, dass die Ärzte über Ihre Diagnose nicht sicher sind. Es ist intuitiv offensichtlich, dass Sie auf die 99 hören sollten, die sagten, Sie hätten Krebs.

Wenn wir uns z. B. Fiedlers Artikel anschauen, dann betreibt er genau solche Erbsenzählerei, indem er den Klimawissenschaftler Scafetta zitiert. Scafetta gehört zu den wenigen Klimawissenschaftlern, die den menschlichen Einfluss an der globalen Erwärmung minimieren. Ihn zu zitieren, um andere Positionen zum Klimawandel zu erörtern, ist berechtigt. Doch wenn es Fiedler hauptsächlich gegen Manipulation und um wissenschaftliche Wahrheit geht, bleibt offen, warum er z. B. die Kritiken an den Arbeiten von Scafetta nicht zitiert? Einige Zusammenfassungen liefert „Skeptikalscience“, z. B.  https://skepticalscience.com/its-planetary-movements.htm, https://skepticalscience.com/solar-activity-sunspots-global-warming.htm und https://skepticalscience.com/scafetta-widget-problems.html. Wenn es Fiedler um die wissenschaftliche Wahrheit geht, warum erwähnt er z. B. nicht, dass eine andere Konsens-Studie, nämlich die von Lawrence Powell (2016), die von einem 99,99%igem Konsens ausgeht, von SekpticalScience (der Seite die Cook betreibt) kritisiert wird?Ihre Kritik besteht darin, dass Powells (2016) Methode den Grad der Uneinigkeit unterschätzt, weil er nur jene Literatur berücksichtigt, die die Klimawandel explizit ablehnen; so kommt Powell (2016) auf die 0,01% (Skuce et al. 2017).

Der Wahnsinn! Zwei Arbeitsgruppen, die den Klima-Konsens bestätigen, kritisieren sich gegenseitig bezüglich der Methoden. Und gerade die Verteidiger der von Fiedler (2020) kritisierten Studie von Cook et al. (2013) werfen Powell (2016) vor, den Grad der Uneinigkeit zu unterschätzen! Damit nicht genug, denn auch ein anderer Wissenschaftler kritisierte Cook et al. (2013). Richard Tol, Professor für Wirtschaft und jemand, der behauptet, dass die Auswirkungen des Klimawandels gering seien, gehört zu diesen Kritikern und ist sicherlich keiner, der Sympathien für die Position eines „menschgemachten Klimawandels“ hat (Tol 2014). Er argumentiert, dass Cook et al. (2013) lieber nach dem Schlagwort „cilmate change“ statt „global climate change“ in den Abstracts hätten suchen sollen, weil dies mehr Treffer (= mehrere Studien) ergeben hätte. So seien einige Wissenschaftszweige in Cooks Studie durch die Auswahl der Schlagworte unterrepräsentiert vertreten gewesen. Als Tol beispielsweise die Suchergebnisse beider Suchbegriffe verglich, stellte er fest, dass die Meteorologie (um 0,7%), die Geowissenschaften (2,9%), die physikalische Geographie (1,9%) und die Ozeanographie (0,4%) unterrepräsentiert waren. Das Problem mit dieser Kritik ist, dass es keinen guten Grund zu der Annahme gibt, dass die Verwendung unterschiedlicher Suchbegriffe zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen geführt hätte. Es gibt anhand der festgestellten Unterschiede, die sehr gering sind, keinen Grund zur Annahme, dass der Konsens größer oder kleiner wäre. Es gibt weitere statistische Probleme bei Tols Artikel, welche im Blog „Hotwhopper“ dargelegt werden. Wichtig ist aber anzumerken, dass selbst Tol (2014) den Konsens in seinem Artikel bestätigt:

There is no doubt in my mind that the literature on climate change overwhelmingly supports the hypothesis that climate change is caused by humans. I have very little reason to doubt that the consensus isindeed correct. Cook et al., however, failed to demonstrate this.Instead, they gave further cause to those who believe that climateresearchers are secretive (as data were held back) and incompetent (as the analysis isflawed).” (Tol 2014, Conclusion; vgl. auch die Antwort von Cook et al. 2014)

Deutsche Übersetzung:

„Es besteht bei mir kein Zweifel daran, dass die Literatur zum Klimawandel die Hypothese, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht wird, überwiegend unterstützt. Ich habe kaum einen Grund zu bezweifeln, dass der Konsens tatsächlich richtig ist. Cook et al. konnten dies jedoch nicht nachweisen. Stattdessen gaben sie denjenigen Anlass, die glauben, dass Klimaforscher geheimnistuerisch (da Daten zurückgehalten wurden) und inkompetent (da die Analyse fehlerhaft ist) sind.“ (Tol 2014, Conclusion; vgl. auch die Antwort von Cook et al. 2014)

Es bleibt die Frage offen, warum uns Fiedler (2020) diese Debatte um die Studie von Cook et al. (2013) verschweigt und nur die Zitate von Scafetta gegen das IPCC verwendet? Warum erwähnt Fiedler nicht die Arbeiten von Powell, Tol und die darum gehende Diskussion in den Fachmagazinen? Warum erwähnt Fiedler nicht die Kritiken an den Arbeiten von Scafetta, um zu belegen, dass nicht nur Cook, sondern auch Scafetta nicht kritiklos hingenommen werden können? Warum zitiert Fiedler nicht die Autoren anderer „Konsens-Studien“, welche ich in meinem Artikel „Anthropogener Klimawandel: Konsens oder Nonsense?“ zitiere? Kennt Fiedler die Literatur nicht? Daran habe ich meine Zweifel, denn sie sind ja auch auf „skepticalscience“, die Fiedler selbst zitiert, zu finden.

Wenn es Fiedler um die wissenschaftliche Wahrheit und um eine wissenschaftliche Debatte geht, warum bezieht er dann nicht sämtliche Literatur (oder wenigstens nur einen Teil) mit ein, der mit dem Thema zu tun hat? Warum verschweigt er den Lesern diese Arbeiten? Warum erwähnt er nur jene Autoren, die seine Kritik unterstützen? Die Antwort ist einfach: Die dringende Suche nach Bestätigung. Es ist das typische Vorgehen der Rosinenpickerei, nur jene „Experten“ zu zitieren, die zu den eigenen Vorstellungen passen, alle anderen Meinungen und Diskussionsprozesse jedoch zu verschweigen. Zitiert man nur die Handvoll Experten einer Extremposition, die die eigene Meinung teilen, verschweigt jedoch die tausenden anderen Experten, die die eigene Position nicht teilen, verliert man an Objektivität. Nicht falsch verstehen: Natürlich geht es nicht darum der Mehrheit blind zu vertrauen. Es ist potentiell richtig, dass eine Minderheit richtig liegen kann und die Mehrheit sich irrt. Dies kann man aber nur feststellen, indem man den Diskussionsprozess darstellt, indem man die gegenteiligen Positionen kennt, auf die Literatur verweist. Man könnte daher anmaßen, Fiedler geht es nicht darum wissenschaftlich zu argumentieren, sondern – durch Ignorieren der Gegenposition – seine Agenda durchzusetzen und den „bösen“ Klimawissenschaftlern vom IPCC eins auszuwischen. Ist das nicht auch eine Form der Manipulation?

Dieses Rosinenpicken – als das selektive zitieren von einigen Studien, die die eigene Meinung unterstützen und das Ignorieren jeglicher anderen Literatur – ist mir auch bei meiner Artikelreihe „Mars versus Venus“ aufgefallen, so u. a. in Teil 8 und 10 (über das Gehirn und die Persönlichkeit von Männern und Frauen) und in Teil 12 (über das Thema Homosexualität). In Bezug zum Thema Männerhirn versus Frauenhirn kritisierte ich einige Argumente von Ulrich Kutscheras Werk „Das Gender-Paradoxon“ (Kutschera 2018). Dort zitiert er zur Untermauerung seiner Behauptung, dass sich Männer- und Frauenhirne völlig unterscheiden, die Studie von Ingalhalikar et al. (2014), die Änderungen der Verbindung beider Gehirnhälften bei den Geschlechtern entdeckt haben. Von Kutschera wird diese Studie gelobt, da sie die großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Hirnarchitektur und in den Persönlichkeitsmerkmalen bewiesen haben wollen. Kutschera ignoriert jedoch zum einen die kritischen Diskussionen um diese Studie und zum anderen ignoriert er auch eine ganze Reihe an Literatur, die die Unterschiede in der Hirnarchitektur und in den Persönlichkeitsmerkmalen bei den Geschlechtern als gering einstufen. Um seine These von der „völligen Verschiedenheit“ der Geschlechter auch innerhalb kognitiver Fähigkeiten zu belegen, zitiert Kutschera nur diese eine Studie, die in sein Bild passt (die entsprechende Literatur findet sich in den „Mars versus Venus?“-Teilen 8 und 10). In einem anderen Beispiel gibt Kutschera ein Interview mit der katholisch-fundamentalistischen Zeitschrift kath.net. Dort spricht er sich gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare aus, da dies für ihn „staatlich geförderte Pädophilie und Kindesmissbrauch“ sei. Zur Untermauerung seiner kruden These verweist er auf eine Studie (Regnerus 2012), die belegt haben will, dass homosexuelle Paare ihre Kinder schlecht behandeln. Das wirkt ja wieder überzeugend oder nicht? Ein promovierter Naturwissenschaftler stützt sich auf seine Autorität als Wissenschaftler und verweist auf eine wissenschaftliche Studie, die all seine „fundierten“ Aussagen belegt. Schwule müssen also schlechte Eltern sein, es gibt dazu eine Studie. Was uns Kutschera verschweigt: Er ignoriert die Kritik einiger namhafter Experten auf diesem Gebiet an der Studie von Regnerus (2012) und er ignoriert jede andere Studie, die belegen, dass es keinen Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Paaren für das Wohl der Kinder gibt. Ich verweise in Teil 12 meiner „Mars versus Venus“ Reihe auf 75 (!) Studien, die Kutscheras Behauptung widerlegen! (und nur 4 Studien, aus denen hervorgeht, dass Kinder schwuler oder lesbischer Eltern mit zusätzlichen Nachteilen konfrontiert sind, darunter auch Regnerus 2012)! [Quellen zu den in diesem Abschnitt zitierten Studien in den Mars versus Venus Reihen]

Auch in anderen Artikeln, z. B. über die Definition der Arten (biologische, phylogenetische Artdefinition), welche in drei [Teil 1; Teil 2; Teil 3] Teilen erschienen ist, wurde die wissenschaftliche Diskussion erläutert. In Teil zwei habe ich mich als kritischer Unterstützer des phylogenetischen Artkonzeptes „geoutet“, habe aber sowohl die Positionen als auch die Vor- und Nachteile aller Artkonzepte erläutert, inklusive die Diskussionen darüber, als auch die Kritik des von mir favorisierten Artkonzeptes.

Sie verstehen das Problem der Rosinenpickerei? Autoren, die bewusst so vorgehen wie Kutschera es tut, geht es nicht um die wissenschaftliche Wahrheit, sondern um die Durchsetzung ihrer eigenen Agenda. Trifft das auch auf Fiedler zu?

Nun könnte man ja einwenden: Moment mal, betreiben die Konsens-Anhänger nicht auch diese Rosinenpickerei, weil sie die wenigen Studien der „Skeptiker“ ignorieren? Nein trifft nicht zu, wie ich schon in meinem Artikel: Anthropogener Klimawandel: Konsens oder Nonsense? (Abschnitt „die anderen 3%“) nachgewiesen habe, hat man sich mit der Skeptikerliteratur sehr intensiv befasst und diese erweist sich als in sich widersprüchlich, fehlerhaft und inkohärent.

Die Schweigenden 66,73%

Fiedler bemängelt, dass jene wissenschaftlichen Abstracts, die keine Position zum Klimawandel (ob vom Menschen verursacht oder nicht, Position Nr. 4 bei Cook et al. 2013) erwähnen, von Cook et al. nicht beachtet und aus der 97%-Statistik entsorgt werden. Das ist nach Fiedler eine statistische Manipulation, da zwei Drittel der Antworten ignoriert werden. Dies ist aber ein fehlerhaftes Argument, da versucht wird, wissenschaftliche Arbeiten, die keine Meinung geäußert haben, so zu behandeln, als ob sie Unsicherheit oder Meinungsverschiedenheit zum Ausdruck brachten, was eindeutig falsch ist. Um es mal mit einem einfachen fiktiven Beispiel zu verdeutlichen: Es wird eine Umfrage mit 12.000 Leuten gemacht. Die Umfrage lautet: „Glauben sie die Erde ist eine Scheibe?“. 33% (3.960 Leute) antworten: „Nein, sie ist keine Scheibe, sondern rund“, 1% (120 Leute) antworten: „Ja sie ist eine Scheibe“ und 66% (7.920 Leute) geben keine Antwort (vielleicht haben sie die Frage nicht verstanden, hatten keine Zeit oder keine Lust auf solch eine dämliche Frage eine Antwort zu geben). Wie würde ich den Grad der Übereinstimmung berechnen? Würde ich nur die Personen verwenden, die geantwortet haben, und sagen, dass 97,1% zugestimmt haben, oder würde ich alle Personen verwenden (auch diejenigen, die nicht geantwortet haben) und sagen, dass 33% zugestimmt haben? Keiner käme aber auf die Idee zu behaupten, 67% (66% schweigen, 1% Ja) der Befragten sagen die Erde sei eine Scheibe oder hegen Zweifel an der Aussage, die Erde sei rund. Denn nur weil man schweigt, heißt das noch lange nicht, dass man der Frage zustimmt oder sie ablehnt. Aber genau das versucht uns Fiedler weißzumachen! Weil man im Abstract nicht sagt, wer der Hauptverursacher des Klimawandels ist, heißt das automatisch man ist Zweifler? Das kann man nicht gelten lassen. Der Grund ist folgender:

Zum einen ist die Klimawissenschaft ein sehr komplexes Thema, welches viele Aspekte abdeckt und nicht immer handelt es sich um den Verursacher des Klimawandels, sondern z. B. um die Folgen. Weiterhin ist anzumerken, dass Abstracts relativ kurzgehalten werden müssen, d. h. auch die Wortzahl ist begrenzt. Wenn also die Ursachen des Klimawandels (Mensch, Sonne etc.) nicht Gegenstand meiner Forschung sind, besteht kein Grund diese im Abstract zu erwähnen. Cook et al. (2013) fiel aber noch etwas auf: Der Prozentsatz der Artikel, die keine Meinung äußerten, stieg im Laufe der Zeit. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, aber der große Prozentsatz der Artikel, die keine Meinung äußerten, und die Tatsache, dass der Prozentsatz im Laufe der Zeit zugenommen hat, stützen tatsächlich einen Konsens. Denn wenn etwas wissenschaftlich gut etabliert ist, besteht immer weniger die Notwendigkeit die eigene Position zu erwähnen. Wenn aber einige Positionen umkämpft sind, ist es wichtig die eigene Position zu vertreten (und zu verteidigen). Ein anderer Bereich der Naturwissenschaft, bei dem Konsens herrscht, ist die Evolutionsbiologie. Die biologischen Fachzeitschriften sind voll von Bestätigungen, dass sich Arten gewandelt haben und wandeln. In den wohl wenigsten wird aber stehen, dass Evolution wahr (und Kreationismus falsch) ist, weil schlicht und einfach nicht die Notwendigkeit besteht z. B. bei der Entdeckung neuer Dinosaurierfossilien (die ggfs. auch Abdrücke von Feder enthalten) im Abstract (oder sonst wo in der Studie) zu erwähnen, dass Darwins Evolutionstheorie wahr ist. Ganz anders verhält es sich bei Studien, bei denen der Konsens nicht ganz eindeutig ist. Nehmen wir z. B. meine Beispiele aus dem Abschnitt „Rosinen-Picken“. Dort schilderte ich z. B., dass innerhalb der Biologie große Debatten darüber herrschen, welche Definition einer Art die biologische Vielfalt am besten beschreiben (oder ob Arten überhaupt real sind). Dort gibt es ein „Ringen“, teilweise sogar Schlammschlachten, um die Positionen. Ähnliches trifft auch auf andere Bereiche der Wissenschaft zu: Welche Gehirnunterschiede gibt es bei den Geschlechtern und welche Rolle spielen diese bei kognitiven Fähigkeiten und Geschlechterverhalten? Wie steht es um die sog. Frankfurter Evolutionstheorie? Welche Rolle spielt die Epigenetik und die aufgeworfene Frage der Vererbung erworbener Eigenschaften und ein potentielles Wiederauferstehen des „Lamarckismus“ in der Evolution? Auch im Bereich der phylogenetischen Systematik gab es heftige Auseinandersetzungen (Man sieht, dass zwar an der Evolution der Organismen nicht gezweifelt wird, wohl aber in einzelnen Bereichen der Evolutionsbiologie heftige Diskussionen geführt werden). Bei diesen und anderen Fragen werden in der Wissenschaft heftige Debatten geführt, auch jenseits der Biologie (z. B. welche Rolle spielt die „Dunkle Materie“ in der Astronomie?).

Sehr viele der 66,78% der Studien befassten sich mit den Auswirkungen des Klimawandels, und es liegt auf der Hand, dass die meisten dieser Autoren mit grundlegenden wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel einverstanden sind. Tatsächlich stammten viele dieser Artikel von Autoren, von denen bekannt ist, dass sie dem anthropogenen Klimawandel zustimmen, und einige ihrer anderen Artikel wurden in die Kategorie „Akzeptiert den Konsens“ eingestuft. Gibt es also einen wissenschaftlichen Streit um die Ursachen des Klimawandels in der Fachliteratur? Wenn also kein Konsens über die Ursachen der jetzigen globalen Erwärmung (Mensch ja oder nein) herrscht, so müsste sich das in der wissenschaftlichen Literatur wiederfinden. Es gibt nämlich keinen Grund zur Annahme (außer man sieht eine Verschwörung habgieriger, atheistischer Skeptiker), weshalb dies ausgerechnet in der Klimawissenschaft nicht der Fall sein sollte. Dieser Aufgabe widmete sich u. a. Powell (2016), der von der „Skeptikerszene“ ebenso scharf angegriffen wurde wie Cook et al. (2013) – und wie ich oben erwähnte, wurde Powell (2016) für seinen 99,99%-Konsens von der Arbeitsgruppe um Cook kritisiert (aber sachlich und nicht in der Manier der Schlammschlachten der „Skeptiker“). Er argumentierte, dass, wenn es tatsächlich zu Meinungsverschiedenheiten in einem Thema kommt, diese Meinungsverschiedenheiten in der Literatur im Vordergrund stehen sollten. Es sollte einfach sein, Arbeiten zu finden, die den anthropogenen Klimawandel explizit ablehnen, während die meisten Arbeiten, die den Konsens unterstützen, einfach keine explizite Aussage auf die eine oder andere Weise machen. Wenn wir also nach einem Konsens suchen wollen, sollten wir einfach die Anzahl der Arbeiten zählen, die den anthropogenen Klimawandel explizit ablehnen. Als Beispiel führte er 500 neuere Studien zur Plattentektonik an, von denen keine die Theorie explizit bestätigte oder ablehnte. Basierend nach den Kriterien von Cook et al. würde dies fälschlicherweise dazu führen, dass kein Konsens beim Thema Plattentektonik zustande kommt.  Wenn wir diese Ablehnungskriterien auf die Literatur zum Klimawandel anwenden, finden wir fast keine Studien, die gegen die Position sprechen, dass Menschen den Klimawandel verursachen. Powell (2016) untersuchte 13.950 Studien in Fachzeitschriften mit peer-review, die zwischen 1991 und 2012 veröffentlicht wurden. Nur 24 Studien stritten den anthropogenen Klimawandel ab, eine Zustimmung von 99,93%. Später untersuchte er die 2.258 von November 2012 bis Dezember 2013 veröffentlichten Arbeiten zum Klimawandel. Dabei wurde nur eine Arbeit veröffentlicht, die den anthropogenen Klimawandel ablehnte (ein Konsens von 99,96%). 2019 führte Powell eine Studie durch, die zeigte, dass in den ersten 7 Monaten des Jahres 2019 11.602 Studien veröffentlicht wurden, die sich auf die ein oder andere Weise mit dem Klimawandel befassten. Keine der Studien lehnte den Klimawandel explizit ab (Powell 2019). Wie gesagt wurde die Arbeit Powells von Cooks Arbeitsgruppe dafür kritisiert, dass sie den Konsens überbewerte. Auch trifft es zu, dass viele Arbeiten, die Powell zitiert, nur indirekt etwas mit der Klimawissenschaft zu tun haben, sondern sich u. a. mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Fauna und Flora befassen. Das sollte kritisch im Hinterkopf bedacht werden.

„Skeptiker“, wie die von „sciencefiles“, machen sich natürlich ebenfalls über die Studie von Powell lustig. „Sciencefiles“ versucht Powells Ergebnisse durch ähnliche Suchkriterien zu „bestätigen“, besser gesagt ad absurdum zu führen. So stellen sie u. a. die Hypothese (nebst anderen ähnlich absurden) auf: „Die Regierung Merkel hat das Ziel, die deutsche Wirtschaft zu zerstören und Armut herbeizuführen.“. Entsprechend haben sie nach der „Methode Powell“ bei den Suchportalen „Science Direct“ und „Google Scholar“ nach Schlagworten gesucht (z. B. Germany, Merkel, Economy, Destruction, Intent, Poverty) und „festgestellt“, dass nur zwischen 0,6% und 2,5% der Arbeiten ihre Hypothese explizit zurückweisen. Unabhängig davon, ob „Sciencefiles“ die Abstracts gelesen hat, vergessen sie etwas: Zum einen gibt es einen klaren Unterschied zwischen politischen Themen und den Naturwissenschaften. Zum anderen besteht offensichtlich gar nicht das Interesse über die Hypothese, dass die Regierung Merkel das Ziel habe, die deutsche Wirtschaft zu zerstören und Armut herbeizuführen. Wäre dies wissenschaftlicher Diskurs (was sicherlich ein spannender und wichtiger Diskurs wäre!), gäbe es dazu offensichtlich mehr Diskussion und Arbeiten – wir können darauf hoffen! Hätte „Sciencefiles“ nach wissenschaftlichen Kriterien wie „plate tectonics“, „evolution“, „speciation“, „species definitions“, „epigenetic inheritence“ gesucht, wäre dies überzeugender gewesen. Denn wie oben erwähnt: Besteht zu wissenschaftlichen Themen kein Konsens, werden große Debatten geführt. Ich habe mir z. B. die Freiheit genommen bei „Google Scholar“ nach „species definitions“ zu suchen. Es wurden 1.230.000 Ergebnisse geliefert. Schon die ersten drei wissenschaftlichen Publikationen (https://repository.si.edu/bitstream/handle/10088/4652/VZ_1998deQueirozEndlessForms.pdf,  https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0723202015000223, https://www.researchgate.net/profile/Felix_Sperling/publication/252329509_Butterfly_Molecular_Systematics_From_Species_Definitions_to_Higher_Level_Phylogenies/links/0deec5226b0b5a041c000000.pdf)  diskutieren darüber, welche Artkonzepte vorhanden sind, wie sie sich entwickelt haben und wo die Problematiken bestehen. Das heißt wir haben gleich sofort einen Diskussionsprozess in Bezug zur Artdefinition! Bezüglich der aktuellen globalen Erwärmung gibt es keine solche Debatten! Was „Sciencefiles“ und Markus Fiedler produzieren ist nichts weiter als ein sogenannter Strohmann.

Natürlich könnte man einwenden, dass die Klimawissenschaft so korrupt ist, dass das „wahre Wissen“ der Klimawissenschaft unterdrückt wird (Bis heute Unterdrückt: Das Wissen um die wahre Physik). Man müsste sich dann aber die Frage stellen, warum das nur bei der Klimawissenschaft so ist. Wo sind diesbezüglich die Belege? Ich habe ja schon in meinem Artikel „Anthropogener Klimawandel: Konsens oder Nonsense“ bemerkt, dass der wissenschaftliche „peer review Prozess“ nicht perfekt ist. Die Physikerin Sabine Hossenfelder macht beispielsweise in einem Video als auch in ihrem blog auf einige Probleme des peer review aufmerksam. Bevor aber die „Klimaskeptiker“ feucht werden: Hossenfelder bezieht sich im Wesentlichen auf Bereiche der Physik und wendet sich nicht gegen das peer review als solches, sondern sucht nach Wegen, den Peer Review Prozess zu optimieren (z. B. in Bezug zur Tatsache, der Arbeitsbelastung der Wissenschaftler, die die diversen paper lesen müssen). Sie sagt nicht, dass alle abweichenden Meinungen unterdrückt werden und den meisten Artikeln nicht zu vertrauen ist. Schließlich müssten die „Skeptiker“ selbst beweisen, dass „skeptische Klimawissenschaftler“ unterdrückt werden. Wie ich aber bei „Anthropogener Klimawandel: Konsens oder Nonsense“ gezeigt habe, können offensichtlich die Skeptiker ihre Arbeiten in den Fachmagazinen veröffentlichen. Die „Skeptiker“ müssten aber auch klarmachen, warum bei den Ursachen des Klimawandels die „skeptischen Arbeiten“ unterdrückt werden, nicht jedoch bei anderen Wissenschaften, die indirekt mit dem Klimawandel zu tun haben. Zum Beispiel steht mit dem Klimawandel der Umwelt- und Artenschutz in einem engen Zusammenhang. Arten kann man aber nur schützen, wenn man sie genau definieren kann. Warum wird dann überhaupt noch über Artdefinitionen diskutiert?

Fiedlers 0,54%

Fiedler kritisiert an der Studie von Cook, dass ja nur 65 Arbeiten (0,54%) explizit unterstützen, dass die aktuelle globale Erwärmung zu mindestens 50% von Menschen verursacht wurde. Nach ihm können nur diese 0,54% eigentlich die Konsens-Position vertreten, weil der Mensch als Hauptursache namentlich erwähnt wird. Doch auch diese Kritik trifft nicht zu. Erstens machten Cook et al. (2013) in ihrer Arbeit keine Angaben darüber, wie groß der Anteil des Menschen an der globalen Erwärmung sein muss, damit man von einem Konsens sprechen kann. Cook et al. (2013) geben in ihrer nur darüber Auskunft, dass der Konsens darin besteht, dass der Mensch einen Einfluss auf die derzeitige globale Erwärmung hat, nicht wie hoch dessen Anteil sein muss. Zweitens bedeutet die Tatsache, dass nur 65 Studien eine quantifizierte Aussage von über 50% menschlichem Anteil erwähnen nicht, dass alle anderen Arbeiten gegenteiliger Auffassung sind. In der Wissenschaft muss jedes Mal, wenn eine Quantifizierung vorgenommen werden muss, diese gesichert werden. Mit anderen Worten, damit ein Artikel eine Schätzung der vom Menschen verursachten Erwärmung enthält, müsste er eine genaue Analyse dieser Frage in den Artikel einbeziehen, aber eine solche Analyse geht weit über den Rahmen der meisten Arbeiten zur globalen Erwärmung hinaus. Die meisten Beiträge zur globalen Erwärmung befassen sich mit einem bestimmten Aspekt des Problems, nicht mit dem Gesamtbild. Wir würden daher erwarten, dass nur sehr wenige Artikel eine tatsächliche Schätzung des menschlichen (oder nicht-menschlichen) Anteils erwähnen. Folgerichtig kann man diese 65 Arbeiten nicht dafür nutzen, um zu zeigen, dass es wenig Übereinstimmung über das Ausmaß des menschlichen Anteils an der globalen Erwärmung gibt. Genauso wenig kann man aber auch das Gegenteil behaupten und diese 65 Arbeiten als eindeutigen Beleg dafür nehmen, dass der menschliche Anteil zu über 50% liegt. Das ist tatsächlich eine Schwäche der Arbeit von Cook et al. (2013), nicht jedoch wie Fiedler sie auslegt. Der Konsens besteht darin, dass der Mensch einen großen Anteil am Klimawandel hat. In wieweit er sich prozentual ausdrückt, lässt sich aus Cook et al. (2013) nicht ablesen, da die meisten Arbeiten nur Teilaspekte des Klimas behandeln (also nie das Gesamtbild).

Was Fiedler verschweigt

Update 15.02.2020: Fiedler veröffentlichte mittlerweile auch einen zweiten Teil seiner Kritik, bei der er sich auf das “self-rating” der Autoren bezieht. Das bemängele ich in diesem Abschnitt. Er liefert jeodch auch in diesem zweiten Teil keine überzeugende Kritik, da die in diesem Text schon besprochenen Mängel Fiedlers (Frage des Konsens, der schweigenden 66%, der Behauptung nur 0,54% der Studien stimmen für die Konsens-Position etc.) ebenfalls in Teil zwei von Fiedlers Artikel miteinfließen. Daher hat auch dieser Abschnitt seine Berechtigung und soll unverändert stehen bleiben. Weitere Kritikpunkte werden ggfs. in einem separaten Artikel verfasst. Zu weiteren Kritikpunkten siehe Klima-Konsens: Fiedlers (vorläufige?) Antwort

Fiedler will einen glauben lassen, dass Cook et al. nicht alle Daten veröffentlicht haben. Fiedler schreibt:

Wichtig ist für den aufmerksamen Leser zunächst, dass in der Originalarbeit die obige detaillierte Tabelle in keiner Form in der Veröffentlichung von Cook et al. Erwähnung findet! Eine detaillierte Auflistung der Messergebnisse fehlt. Ich habe aber gelernt, dass man zwingend immer alle Messergebnisse präsentieren muss. Und da es sich nur um 7 einfache Zahlen bzw. die daraus ermittelten Prozentwerte handelt, kommt hier ein Platzproblem bei Drucksetzung auch nicht in Frage.

Fiedler meint hierbei, dass bei Cook et al. nicht die 7 Kategorien aufgelistet wurden, sondern die Positionen 1-3 (bejahen menschlichen Anteil), sowie 5-7 (minimieren menschlichen Anteil, bzw. lehnen es ab) wurden zusammengefasst. Position 4 (keine Angaben) blieb erhalten. Diese Bemerkung Fiedlers ist soweit richtig, dass die Kategorien zusammengefasst wurden. Ob das nun aber Betrug oder Manipulation ist? Wie oben erwähnt geht es Cook et al. Arbeit nicht darum zu zeigen, wie hoch der Anteil des Menschen ist, sondern ob die Arbeiten einen menschlichen Anteil befürworten bzw. erwähnen. Außerdem wurde oben erwähnt, dass a) eine Quantifizierung tatsächlich in den meisten Arbeiten nicht möglich ist (und man dennoch den Menschen als Hauptursache nennen kann) und b) auch die Position „Keine Angabe“ zur Rolle des Menschen (oder andere Ursachen) nicht bedeutet, dass man der Konsens-Position kritisch gegenübersteht. Weiterhin werden in der online-Version der Arbeit von Cook et al. als Daten angehängt (siehe hier: https://iopscience.iop.org/1748-9326/8/2/024024/media/erl460291datafile.txt) und bei „skepticalscience“ ebenfalls verlinkt (auf die ja Fiedler selbst zugreift). Zumindest kann man aber mit Fiedler übereinstimmen, dass es nicht geschadet hätte, diese sieben Kategorien vereinzelt aufzulisten. Das ist aber nach der Faktenlage nur eine Randbemerkung.

Fiedler kritisiert weiterhin:

Zumindest in den Naturwissenschaften ist es eiserne Regel, dass man vor Versuchsbeginn den Analyseplan, also die Messmethoden und den Umgang mit den Messdaten zwingend festlegt.

Diesem ist unwidersprochen zuzustimmen, doch es bleibt die Frage offen, ob sich Fiedler daranhält. Denn auch die Kritiker einer Studie sollten zumindest alle Aspekte der Analyse, die sie kritisieren, mit einbeziehen. Aber Fiedler verschweigt einen ganz wichtigen Aspekt der Arbeit von Cook et al. (2013), die bedeutender ist als die Einschätzung von Cook et al. welche untersuchten Abstracts in welche Kategorien einzuordnen sind: Die Selbsteinschätzung der Autoren der Arbeiten (sog. self-rating).

In der Arbeit von Cook et al. (2013) ist zu lesen:

To complement the abstract analysis, email addresses for 8547 authors were collected, typically from the corresponding author and/or first author. For each year, email addresses were obtained for at least 60% of papers. Authors were emailed an invitation to participate in a survey in which they rated their own published papers (the entire content of the article, not just the abstract) with the same criteria as used by the independent rating team. Details of the survey text are provided in the supplementary information.

Weiter steht in der Studie von Cook et al (2013):

We emailed 8547 authors an invitation to rate their own papers and received 1200 responses (a 14% response rate). After excluding papers that were not peer-reviewed, not climate-related or had no abstract, 2142 papers received self-ratings from 1189 authors. The self-rated levels of endorsement are shown in table 4. Among self-rated papers that stated a position on AGW, 97.2% endorsed the consensus. Among self-rated papers not expressing a position on AGW in the abstract, 53.8% were self-rated as endorsing the consensus. Among respondents who authored a paper expressing a view on AGW, 96.4% endorsed the consensus.

Deutsche Übersetzung:

Zur Ergänzung der Abstract-Analyse wurden die E-Mail-Adressen von 8547 Autoren gesammelt, in der Regel vom entsprechenden Autor und / oder Erstautor. Für jedes Jahr wurden E-Mail-Adressen von mindestens 60% der Arbeiten gesammelt. Den Autoren wurde eine Einladung zur Teilnahme an einer Umfrage per E-Mail gesendet, in der sie ihre eigenen veröffentlichten Artikel (den gesamten Inhalt des Artikels, nicht nur die Abstracts) nach denselben Kriterien wie das unabhängige Bewertungsteam zu bewerten. Einzelheiten zum Umfragetext finden Sie in den Zusatzinformationen.https://iopscience.iop.org/1748-9326/8/2/024024/media/erl460291suppdata.pdf

Wir schrieben 8547 Autoren per E-Mail eine Einladung, ihre eigenen Arbeiten zu bewerten, und haben 1200 Antworten erhalten (14% Rückmeldequote). Nach dem Ausschluss von nicht begutachteten (peer-reviewed), nicht klimabezogenen Arbeiten und jene ohne Abstracts erhielten 2142 Arbeiten Selbstbewertungen von 1189 Autoren. (…) Unter den selbstbewerteten Arbeiten, die eine Position zu AGW darlegten, befürworteten 97,2% den Konsens. Unter den selbstbewerteten Arbeiten, deren Abstracts keine Position zum AGW ausdrücken, wurden 53,8% als Befürworter des Konsenses eingestuft. 96,4% der Befragten, die eine Arbeit verfasst haben, in dem sie ihre Meinung zu AGW äußerten, befürworteten den Konsens.

Die genauen Zahlen lassen sich aus Tabelle 5 ablesen, die wir hier reproduzieren:

Zusammenfassend kann gesagt werden, Cook et al. (2013) schrieben über 8.500 Autoren an ihre eigenen Arbeiten zu bewerten. 1.200 meldeten sich zurück, 1.189 Autoren wurden berücksichtigt, die an 2.142 wissenschaftlichen Arbeiten beteiligt waren. Dabei sollten die Autoren ihre gesamte Arbeit bewerten und nicht nur die Abstracts. Nach der Selbstbewertung der Autoren wurden die 2.142 Arbeiten wie folgt klassifiziert (rechte Spalte; Self-Rating): 1.342 (62,7%) dieser Arbeiten unterstützen die Konsens-Position, 761 Arbeiten (35,5%) geben keine Auskunft oder Unsicherheiten über die Konsens-Position wider und 39 (1,8%) Arbeiten lehnen nach Selbstauskunft der Autoren die Konsens-Position ab. Man vergleiche dies mit der Einschätzung von Cook et al., die etwa die Hälfte dieser Arbeiten als Unterstützung der Konsens-Position einstuften. Diese verschwiegene „Kleinigkeit“ von Fiedler (2020) ist von großer Bedeutung. Denn diese wissenschaftlichen Arbeiten zum Klimawandel wurden nicht nur von Cooks Team bewertet, sondern auch von den Autoren der Arbeiten und knapp 1.200 Autoren, die über 2.000 wissenschaftliche Arbeiten bewerteten, sind eine durchaus repräsentative Stichprobe, da es über ein Sechstel der berücksichtigen Arbeiten umfasst. Es wird dabei vor allem deutlich, dass mit der Selbstbewertung wesentlich mehr Arbeiten als Konsens-Position eingestuft werden, die Cook et al (2013) als keine Position einordneten!

Um weiteren Missverständnisse vorzubeugen: die 761 (35,5%) Arbeiten, die keine Position zur menschlich verursachten globalen Erwärmung machen, sagen nicht aus, dass diese die Konsens-Position nicht teilen. Sie machen bloß keine Aussage darüber. Oben haben wir ja schon den Umstand erklärt, dass wenn ein Konsens besteht, die Notwendigkeit dafür nicht vorhanden ist in jeder Arbeit zu verdeutlichen, dass der Mensch die Ursache für die globale Erwärmung ist. Genauso wie in wissenschaftlichen Studien zur Evolutionsbiologie nicht verdeutlicht werden muss, dass Evolution belegt und Kreationismus Unsinn ist.

Es bleibt die Frage offen, warum Fiedler diese wichtige Info der Selbstbewertung nicht erwähnt? Zufall? Unwissenheit? Manipulation? Bemerkenswert!

Fiedlers Datenanalyse

Update 19.02.2020:

Fiedler macht zu Beginn einen gravierenden Übersetzungsfehler, der auch weitere Folgen für seinen gesamten Artikel hat. Bei der Einteilung der 7 Kategorien von Cook übersetzt Fiedler das Wort „endorse“ mit „sich äußern“, also im Sinne von „erwähnen“. Diese Übersetzung ist aber nicht richtig. „Endorse“ wird überall mit „zustimmen“, „befürworten“, „billigen“, „unterstützen“ übersetzt. Das heißt aber wiederrum, dass die Studie von Cook die Studien nicht danach ausgewählt hat, ob diese den anthropogenen Anteil explizit oder implizit erwähnen, sondern ob sie der Hypothese zustimmen, dass der anthropogene Anteil einen Einfluss auf das Klima hat. Dieser Übersetzungsfehler hat natürlich Konsequenzen für Fiedlers eigene Einteilung der Studien der Kategorie 2. Das wird in Folge gezeigt.       

Fiedler versucht nun selbst einige Arbeiten, die Cook et al. (2013) bewertet haben, selbst einzustufen. Es sollte hier nun mal bemerkt werden, dass das Bewerten solcher Arbeiten, vor allem wenn man selbst nicht in der Klima-Forschung aktiv ist (dazu zähle ich), mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist, z. B. subjektive Fehleinschätzung, fehlendes Verständnis der Methodik der Arbeiten etc. Etwas was ja Cook et al. (2013) selbst zugeben und diese Fehlerquote durch die Selbstbewertung der Autoren zu minimieren versuchten. Fiedler verschweigt, wie oben gezeigt, die Tatsache der Selbstbewertung durch die Autoren. Es bleibt daher z. B. offen, ob die Autoren der von Fiedler untersuchten Abstracts bei der Selbstbewertung der Arbeiten teilnahmen. Ich nahm mir daher die Freiheit einige Arbeiten, die Fiedler einstuft, selbst zu überprüfen. Fiedler zitiert den Abstract von Karl Tr, Kukla, G. et al.: Global Warming – Evidence For Asymmetric Diurnal Temperature-change. In Geophysical Research Letters. 1991 https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/91GL02900

Cook et al. (2013) stufen diese Arbeit als Position 2 ein (Äußern sich explizit zum menschgemachten Klimawandel, jedoch quantifizieren oder minimieren den Anteil nicht.). Fiedler (2020) in Kategorie 6 oder 7 sehen, weil der menschliche Anteil im Abstract minimiert oder gar abgelehnt werde. Prüfen wir noch einmal nach und zitieren die für die Positionierung entscheidende Stelle des Abstracts (der Rest des Abstracts kann dem link entnommen werden):

Regardless of the exact cause(s), these results imply that either: (1) climate model projections considering the expected change in the diurnal temperature range with increased levels of the greenhouse gases are underestimating (overestimating) the rise of the daily minimum (maximum) relative to the maximum (minimum), or (2) the observed warming in a considerable portion of the Northern Hemisphere landmass is significantly affected by factors unrelated to an enhanced anthropogenically-induced greenhouse effect.

Deutsche Übersetzung:

Ungeachtet der genauen Ursache(n) implizieren diese Ergebnisse Folgendes: (1) Klimamodellprojektionen, die die erwartete Änderung des Tages-Temperaturbereichs mit erhöhten Treibhausgaswerten berücksichtigen, unterschätzen (überschätzen) den Anstieg des täglichen Minimums (Maximums) relativ zum Maximum (Minimum) oder (2) die beobachtete Erwärmung in einem beträchtlichen Teil der Landmasse der nördlichen Hemisphäre wird erheblich von Faktoren beeinflusst, die in keinem Zusammenhang mit einem verstärkten anthropogen induzierten Treibhauseffekt stehen.

Um was geht es in dieser recht alten Arbeit von 1991? Die Autoren untersuchten die Durchschnittstemperaturen (hauptsächlich in der nördlichen Hemisphäre: USA, UdSSR, China) und entdeckten, dass in den 4 letzten Jahrzehnten es zu signifikanten Schwankungen der unteren Durchschnittstemperaturen kam (hierbei handelt es sich meist um die Nachttemperaturen). Die Höchsttemperaturen (hierbei handelt es sich meist um die Temperaturen am Tag) hingegen blieben kaum verändert. Das heißt auf gut deutsch: der Unterschied zwischen den unteren und oberen Durchschnittstemperaturen wurde geringer. In ihrem Abstract erwähnen sie, dass ihre Ergebnisse zeigen, dass entweder anthropogene Treibhausgase oder andere Faktoren (natürliche) die Hauptrolle spielen.

Man kann nun darüber streiten, ob die Einordnung in Position zwei (Äußern sich explizit zum menschgemachten Klimawandel, jedoch quantifizieren oder minimieren den Anteil nicht) oder vielleicht doch drei (Äußern sich implizit zum menschgemachten Klimawandel) die richtige ist. Keineswegs ist aber hier ein Zweifel herauszulesen, wie ihn Fiedler sehen möchte. Die Arbeit und auch der Abstract legen nahe, dass die bisherigen Klimamodelle, die die Temperaturänderungen und die erhöhten Treibhausgase berücksichtigen, das Verhältnis der Temperaturschwankungen zwischen Minimum und Maximum über- oder unterschätzen. Sie hegen jedoch keinen Zweifel an der Rolle der Treibhausgase. Es bestehen aber aufgrund der mangelnden Datenlage (Die Studie ist mittlerweile 30 jahre alt!) Unsicherheiten, ob nicht andere Faktoren, die nicht im Zusammenhang mit dem anthropogenen Treibhauseffekt stehen, eine wichtige Rolle spielen. Das ist kein Zweifel an der Rolle des anthropogenen Treibhauseffektes an sich, sondern eine gewisse Vorsicht aufgrund mangelnder Daten, der durch weitere Forschung belegt wird.

Man sollte übrigens bemerken, wie der letzte Satz des Abstracts von Fiedler und mir übersetzt wurde:

„the observed warming in a considerable portion of the Northern Hemisphere landmass is significantly affected by factors unrelated to an enhanced anthropogenically-induced greenhouse effect.“ (Hervorhebung durch mich)

Fiedlers Übersetzung:

„die beobachtete Erwärmung in einem beträchtlichen Teil der Landmasse der nördlichen Hemisphäre wird erheblich von Faktoren beeinflusst, die nichts mit einem verstärkten anthropogen induzierten Treibhauseffekt zu tun haben.“ (Hervorhebung durch mich)

Meine Übersetzung:

„die beobachtete Erwärmung in einem beträchtlichen Teil der Landmasse der nördlichen Hemisphäre wird erheblich von Faktoren beeinflusst, die in keinem Zusammenhang mit einem verstärkten anthropogen induzierten Treibhauseffekt stehen.“ (Hervorhebung durch mich)

Nun beanspruche ich nicht der beste Übersetzer zu sein, besonders in einem Themengebiet, das nicht meine Expertise ist. Fiedler nahm sich aber eine automatische Übersetzung zur Hilfe, wahrscheinlich ohne die konkrete Bedeutung der Vokabeln nachzuschlagen. „Unrelated to“ heißt jedoch nicht „nichts miteinander zu tun haben“, sondern „in keinem Zusammenhang/Bezug stehen“ bzw. „nicht verwandt sein“, „beziehungslos“ und ähnliches. Das mag nun kleinlich wirken, aber Fiedlers Übersetzung könnte man so lesen, dass das beobachtete Phänomen (Temperaturanstieg in der Nordhemisphäre) nichts mit einem Treibhauseffekt zu tun hat und man daraus schließen könne, dass der Treibhauseffekt nicht existiere. Meine Übersetzung hingegen zeigt, dass das beobachtete Phänomen (Temperaturanstieg in der Nordhemisphäre) nicht im Zusammenhang, also unabhängig vom Treibhauseffekt, steht. Daraus kann man aber interpretieren, dass nur dieses Phänomen mit dem Treibhauseffekt nicht in Verbindung gebracht werden kann, der Treibhauseffekt als solches wird aber nicht in Zweifel gezogen.

Unabhängig von dieser kleinen „Übersetzungsdiskrepanz“ kann aus dem Abstract nicht geschlossen werden, dass dieses die Konsensposition ablehnt. Sie wird erwähnt, da aber Unsicherheiten vorhanden sind, wird keine Quantifizierung vorgenommen. Daher wäre die Arbeit mindestens in Kategorie 3 (implizite Erwähnung) oder gar Kategorie 2 (wie von Cook et al. 2013 eingeordnet) einzuordnen. Jedoch ist Fiedlers Einordnung (Kategorie 6 oder 7, Minimierung oder Ablehnung des menschlichen Einflusses ohne und mit Quantifizierung) zweifelsfrei falsch, denn eine offene Frage bzw. Möglichkeit ist kein Zweifel und schon gar keine Ablehnung an der Konsensposition.

Weiterhin bliebe die Frage offen, ob diese Arbeit nicht von den Autoren selbst begutachtet wurde und entsprechend deswegen als Kategorie 2 eingestuft wurde. Weiterhin kann man feststellen, dass der Erstautor, T. R. Karl, weitere Studien publiziert hat, die den Faktor Mensch als Hauptursache der globalen Erwärmung sehen; z. B.  Thomas R. Karl, Kevin E. Trenberth: Modern global climate change. Science. 2003 Dec 5; 302(5651): 1719–1723. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14657489 (Zitat: „Modern climate change is dominated by human influences, which are now large enough to exceed the bounds of natural variability. The main source of global climate change is human-induced changes in atmospheric composition.“)

Fiedler (2020) listet weitere Arbeiten auf, von denen er sagt, dass sie Cook et al. (2013) falsch einsortiert haben:

Nach Fiedler muss diese Arbeit in Kategorie 4 eingeordnet werden (statt in Kategorie 2), weil „keine klare Aussage zum anthropogenen Anteil“ bestehe.

Nun steht aber im Abstract:

A modified Budyko global vegetation model is used to predict changes in global vegetation patterns resulting from climate change (CO2 doubling). (…) Climate change scenarios are derived from predictions from four General Circulation Models (GCM’s) of the atmosphere (GFDL, GISS, OSU, and UKMO). (…) All four GCM scenarios show similar trends in vegetation shifts and in areas that remain stable, although the UKMO scenario predicts greater warming than the others. Climate change maps produced by all four GCM scenarios show good agreement with the current climate vegetation map for the globe as a whole, although over half of the vegetation classes show only poor to fair agreement. (…) Because most of the predicted warming is concentrated in the Boreal and Temperate zones, vegetation there is predicted to undergo the greatest change. Specifically, all Boreal vegetation classes are predicted to shrink. The interrelated classes of Tundra, Taiga, and Temperate Forest are predicted to replace much of their poleward (mostly northern) neighbors. Most vegetation classes in the Subtropics and Tropics are predicted to expand. (…) Although the model predicts equilibrium conditions to which many plant species cannot adjust (through migration or microevolution) in the 50–100 y needed for CO2 doubling, it is nevertheless not clear if projected global warming will result in drastic or benign vegetation change.

Nach Fiedler gehört diese Arbeit in Kategorie 4 (keine Position), weil der Mensch nicht als Ursache _wortwörtlich_ erwähnt wird. Doch wer den Zusammenhang dieses Abstracts versteht, dem wird klar, dass Fiedlers Kategorisierung nicht stimmen kann.

Diese Arbeit nutzt verschiedene Klimamodelle, u. a. das GFDL. Anhand von Modellen wie diesem wird untersucht, inwieweit beobachtete Klimaveränderungen auf natürliche Ursachen (z. B. Sonne, vulkanische Aktivität) oder auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sind (z. B. Emissionen von Treibhausgasen und Partikeln, Landnutzung). Das heißt bei Klimamodellen werden automatisch menschliche Einflüsse miteinbezogen. Wer also ein wenig Ahnung von Klimaforschung hat, der weiß, dass der menschliche Einfluss explizit, also unmissverständlich, bei solchen Klimamodellen miteingerechnet wird. Anhand der untersuchten Klimamodelle wird in dieser Studie u. a. der CO2-Gehalt verdoppelt. Einfach mal kurz nachdenken, woher diese Verdoppelung kommen soll? Bei der ganzen Debatte um anthropogene Treibhausgase ist es unwahrscheinlich, dass die Autoren von einer Verdoppelung des CO2 innerhalb von 50-100 Jahren durch Vulkanausbrüche (wie zum Ende des Perms vor 250 Mio. Jahren) ausgehen. Aus der Logik kann man nur schließen, dass die Arbeit von Cook et al. richtig eingestuft wurde: Kategorie 2 (Äußern sich explizit zum menschgemachten Klimawandel, jedoch quantifizieren oder minimieren den Anteil nicht).

Auch diese Studie erwähne laut Fiedler nicht den Menschen als Ursache, müsste also statt in Kategorie 2 in Kategorie 4 platziert werden. Doch auch aus diesem Abstract geht, wie beim vorherigen, hervor, dass Computer-Modelle genutzt werden, die eine Verdoppelung des CO2-Gehaltes berücksichtigen. Restliche Argumentation wie oben.

Diese Arbeit wird von Fiedler statt in Kategorie 2 in Kategorie 4 eingestuft, weil das Abstract die anthropogenen Einflüsse auf den Lebensraum von Vögeln erwähnt, jedoch kein Bezug zum Klima nennt. Im Abstract ist zu lesen: „Future integrated studies are required to assess the scope for flexibility in life-history strategies as this will have a critical bearing on whether birds can adapt sufficiently rapidly to anthropogenic environmental changes, in particular climate change.

Zukünftige Studien sollen also zeigen, ob Vögel sich auf menschgemachte Umweltveränderungen anpassen können, insbesondere dem Klimawandel. Ich will ja nicht pedantisch erscheinen, aber aus dem Kontext des Abstracts erschließt sich, dass hier von einem menschlich verursachten Klimawandel die Rede ist („anthropogene Umweltveränderungen, insbesondere dem Klimawandel“ -> die Bedeutung der Vokabel „in particualar“, zu Deutsch „insbesondere“, „im Speziellen“, „namentlich“, deutet darauf hin, dass eine anthropogene Umweltveränderung, nämlich die Änderung des Klimas durch den Menschen, besonders hervorgehoben wird. Würde der Klimawandel nicht in Verbindung mit menschlich verursachten Umweltveränderungen im Zusammenhang stehen, müsste der Satz grammatikalisch richtig „anthropogenic environmental changes and/or („und/oder“) climate change“ heißen.

Diese Studie mache laut Fiedler keine klare Aussage zum anthropogenen Anteil, gehöre also auch in Kategorie 4 statt in 2. Im Abstract können wir u. a. lesen: „…  such as the action plan and the famous idea of New Earth 21 program, toward long term stabilization of CO2 concentration in the air.“ Und: „It is also worth noting that Japan, both government and industries, has much interest in CO2 removal from flue gas of power plants and its disposal.

Aus dem Abstract geht hervor, dass japanische Wissenschaftler neue Energieressourcen suchen, die eine globale Erwärmung abschwächen, u. a. durch Kernkraft, erneuerbare Energien und das CO2 aus den Abgasen der Kraftwerke zu entfernen. Worin liegt da nach Fiedler keine klare Aussage zum anthropogenen Anteil? Sind Japaner und ihre CO2-produzierenden Kraftwerke nicht anthropogen? Sind Japaner nach Fieder keine Menschen? Oder haben Aliens die Anlagen gebaut? Wenn man nach CO2-armen/freien Energiequellen sucht und das CO2 aus den Kraftwerken entfernen will, braucht man weder ein Studium der Anglistik noch der Klimatologie, um zu verstehen, dass das diese Arbeit von einem anthropogenen Klimawandel ausgeht. Da Kategorie 2 den menschlichen Anteil nicht quantifiziert, passt diese Studie eben in diese Kategorie. Warum will Fiedler eine „klare Aussage zum anthropogenen Anteil“? Klare Aussagen zu einem anthropogenen Anteil verlangen doch eine Quantifizierung, doch Kategorie 2 nimmt keine Quantifizierung vor.

  • R. N. Anthony, D. I. Kline, G. Diaz-Pulido, S. Dove, and O. Hoegh-Guldberg: Ocean acidification causes bleaching and productivity loss in coral reef builders. PNAS November 11, 2008 105 (45) 17442-17446. https://www.pnas.org/content/105/45/17442

Zu dieser Studie schreibt Fiedler: „Erwähnung von anthropogenem CO2 als Ursprung von Meeresversauerung. Erwähnung des IPCC. Keine Erwähnung des Menschen als Verursacher der globalen Erwärmung.“ (Daher Kategorie 3 oder 4 statt 2).

Sieht Fiedler hier keinen Widerspruch? Der CO2-Anteil, der vom Menschen verursacht wird, ist an der Versauerung der Meere schuld, das IPCC wird erwähnt. Aber der Mensch wird nicht als Verursacher erwähnt? Fiedler weiß doch was mit „anthropogenen CO2“ gemeint ist, oder? Solche Positionen könnte man vertreten, wenn man die Beziehung von CO2 und Treibhauseffekt nicht anerkennt. Das mag Fiedler von mir aus nicht anerkennen, aber es ist stark davon auszugehen, dass die Autoren im CO2 und dessen Erhöhung durch den Menschen einen wesentlichen Beitrag der globalen Erwärmung sehen (übrigens ist die Studie komplett zugänglich und man kann sich selbst überzeugen).

Ich will an dieser Stelle hier abbrechen. Fiedler nimmt eine Stichprobe von 17 Studien der Kategorie 2 in seine Liste auf und setzt die meisten in Kategorie 4 oder gar darunter. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und 6 dieser Studien herausgegriffen und selbst kritisch gelesen. Bei diesen 6 Studien kann man sicher davon ausgehen, dass Cook et al. (2013) diese richtig eingeordnet haben und Fiedler sich irrt. Es bleibt die Frage offen, ob Fiedler diese Abstracts wirklich gelesen hat oder nur nach „Schlagwörtern“ gesucht hat und ggf. durch eine automatische Übersetzung nach „Fehlern“ in der Einordnung gesucht hat. Hat aber Fiedler die Sinnzusammenhänge der Studien verstanden? Weiß er wovon die Arbeiten wirklich handeln? Ist Fiedler ggfs. auch davon ausgegangen, dass niemand seine Liste kritisch überprüfen wird?

Eventuell werden die anderen Studien, die Fiedler las, ebenfalls von mir gelesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Fiedler diese ebenfalls falsch verstanden hat, dürfte relativ groß sein.

Irrten sich Wissenschaftler?

Fiedler erwähnt:

„Die Mehrheit der Wissenschaftler kann auch irren. Das ist schon in aller Regelmäßigkeit vorgekommen. Es reicht ein hieb- und stichfesten Nachweis für das Gegenteil und schon ist die Mehrheitsmeinung hinfällig. Klassische Beispiele dafür gibt es zahlreiche. Erwähnen möchte ich hier nur die „Phlogiston“-Theorie oder die „N-Strahlen“, die viele plausibel fanden, die sich aber als falsch herausgestellt haben.“

Natürlich kann sich die Mehrheit der Wissenschaftler auch irren. Dass aber ein „hieb- und stichfester Nachweis“ dafür ausreiche, sehe ich kritisch. Hier müsste erstmal überhaupt definiert werden, was unter hieb- und stichfest und einem Nachweis zu verstehen ist? Das lässt Fiedler unbeantwortet. Nun erwähnt Fiedler die „Phlogiston“-Theorie und die „N-Strahlen“, um zu zeigen, wie Wissenschaftler sich irren können.

Die Phlogiston-Theorie postuliert, dass ein feuerähnliches Element namens Phlogiston in brennbaren Körpern enthalten ist und bei der Verbrennung freigesetzt wird. Diese Theorie wurde widerlegt. Doch es reichte ein „hieb- und stichfester Nachweis“ dafür nicht aus, es gab durchaus anregende Debatten diesbezüglich. Zum anderen befand sich zu diesem Zeitpunkt die Chemie als Wissenschaft in ihren Kinderschuhen, sodass hartnäckige, alte und falsche Theorien nicht so leicht von der Bildfläche verschwanden. Es sollte dabei auch nicht vergessen werden, dass die Wissenschaft und die wissenschaftliche Methode historisch relativ jung ist und man Gedenken von „Gelehrten“, die einige Jahrhunderte alt sind, nicht automatisch mit der Wissenschaft, wie wir sie heute verstehen, gleichsetzen können. Die heutige Wissenschaft ist ein sehr vorsichtiger, systematischer Prozess, der es uns ermöglicht, sehr zuversichtlich mit unseren Ergebnissen umzugehen. Die statistischen Auswertungen, mit denen wir beispielsweise unsere Hypothesen quantitativ überprüfen können, existieren erst seit rund 100 Jahren. Es gibt einfach keinen Vergleich zwischen den „Wissenschaftlern“, die die Erde für flach hielten oder Anhänger der Phlogiston-Theorie und den heutigen Wissenschaftlern. Die damaligen „Wissenschaftler“ unterschieden sich nicht von Alchemisten. Sie verwendeten nicht die strengen wissenschaftlichen Methoden, die wir jetzt anwenden.

Wenn wir also die Behauptung aufstellen wollen, “dass Wissenschaftler in der Vergangenheit falsch gelegen haben und ihnen deshalb heute nicht vertraut werden sollte”, müssen wir uns auf die letzten 100 Jahre beschränken. Stellen wir nun die Frage: “Haben sich Wissenschaftler in den letzten 100 Jahren in irgendetwas geirrt?” Nun ja, natürlich haben sie sich in vielen Dingen geirrt. In den letzten 100 Jahren wurden in fast allen Bereichen der Wissenschaft große Fortschritte erzielt, da neue Entdeckungen veraltete Hypothesen abgelöst haben. Man sollte jedoch bedenken, dass unterschieden werden muss, ob es sich um Kritiken bzw. Diskussionen um Einzelaspekte einer wissenschaftlichen Hypothese handelt, oder ob eine wissenschaftliche Theorie komplett abgelehnt wird. Dieses „Wissenschaftler irren sich“-Pseudoargument wird z. B. nicht gegen einzelne phylogenetische Stammbäume der Verwandtschaft von einzelnen Tiergruppen verwendet – z. B. ist die verwandtschaftliche Position der Schildkröten zu anderen Vertretern des Taxons der „Sauropsiden“ (Vögel + „Reptilien“) nicht ganz geklärt. Nein, das „Wissenschaftler irren sich“-Pseudoargument wird gegen die Evolutionstheorie als Ganzes verwendet. Das „Wissenschaftler irren sich“-Pseudoargument wird nicht gegen einzelne Klimamodelle verwendet, sondern gegen die Vorstellung, dass Menschen die derzeitige globale Erwärmung als solches verursachen. Die Frage lautet also wirklich: „Waren Wissenschaftler in den letzten 100 Jahren wirklich falsch in Bezug auf etwas sehr Wichtiges, über das sie äußerst zuversichtlich waren (etwas auf der Ebene der Evolutionstheorie oder der Nützlichkeit von Impfstoffen)?“ Die Antwort lautet: nicht wirklich. Die Änderungen, die z. B. Einsteins Relativitätstheorie an der Newtonschen Physik vorgenommen hat, sind z. B. ein naheliegendes Beispiel. Aber Newtons Theorie ist nicht so sehr falsch, als unvollständig, wurde durch Einsteins Theorie vervollständigt. Außerdem wurde die Relativitätstheorie zu Beginn des 100-jährigen Zeitraums, von dem wir sprechen, vorgeschlagen. Durch die Epigenetik haben wir herausfinden können, dass Umweltfaktoren einen Einfluss auf die Vererbung haben. Aber auch das wirft die Genetik nicht über Bord, sondern vervollständigt sie, fügt weitere Puzzleteile hinzu, ohne die „alten“ komplett zu verwerfen.

Die offene Frage hierzu lautet: Was hat dies konkret mit der Klimaforschung zu tun? Sollten entsprechend genügend Beweise vorliegen, wird sich diese ändern. Diese liegen aber nicht vor und die vorhandenen wenigen „kritischen“ Stimmen sind in sich widersprüchlich, nicht einheitlich und inkonsequent. Kurzum: die Skeptiker sind in diesem Fall Anhänger der Phlogiston-Theorie. Fiedler erwähnt ja auch den „Kronzeugen“ der „gemobbten“ Wissenschaftler: Alfred Wegener. Zu diesem schrieb ich in meinem Artikel „Konsens oder Nonsense?“:

Beispielsweise veröffentlichte Alfred Wegener 1915 seine Hypothese, dass die heutigen Landmassen erdgeschichtlich miteinander verbunden sein mussten und einen Superkontinent bildeten. Die Theorie der Kontinentaldrift konnte sich lange nicht durchsetzen, was am Fehlen einer plausiblen Erklärung der Verschiebungen lag. Diverse Erklärungsversuche erwiesen sich als falsch und erst ab den 1960ern brachte die Untersuchung der Plattentektonik die allgemeine Anerkennung der Kontinentaldrift. Ein weniger wissenschaftliches Motiv von Wegeners Gegnern bestand möglicherweise in den Konflikten zwischen den damals streng voneinander getrennten Teilgebieten der Geowissenschaften. Da sich Wegener ursprünglich mit Astronomie, Meteorologie und Klimatologie beschäftigt hatte, galt er vielen „echten“ Geologen als ein unqualifizierter „Quereinsteiger“.“

D. h., dass zwar Wegener durchaus auch aus nicht-wissenschaftlichen Gründen von der Geologen-Gemeinde nicht anerkannt wurde. Das eigentliche Problem, warum seine Theorie der Kontinentalverschiebung nicht anerkannt wurde, bestand aber vor allem darin, weil er keine plausiblen Erklärungen für seine Theorien liefern konnte, wie sich die Kontinente verschieben. Seine Erklärungsversuche erwiesen sich als falsch und die heutige Kontinentalverschiebung beruht auf anderen Prinzipien, als jenen von Wegener! Ein weiterer „Kronzeuge“, der gerne genommen wird ist Galilei. Dieser hatte jedoch keine Probleme mit seinen Wissenschaftskollegen, sondern mit der Kirche.

Aber grundsätzlich geht es mir um etwas anderes:

Natürlich haben sich Wissenschaftler in der Vergangenheit geirrt (und das werden sie auch in Zukunft), denn Wissenschaft ist von Natur aus ein Prozess, bei dem andere Wissenschaftler das Gegenteil beweisen können. So funktioniert Wissenschaft. Es wäre eine schreckliche Sache, wenn sich Wissenschaftler niemals irren würden, denn das würde bedeuten, dass die Wissenschaft zum Stillstand gekommen wäre und nicht mehr voranschreitet. Das Wichtigste ist jedoch, dass Wissenschaftler immer von anderen Wissenschaftlern als falsch eingestuft werden! Wichtige wissenschaftliche Prinzipien werden nicht von Menschen über Bord geworfen, die keine wissenschaftliche Ausbildung haben und auf ihrer Couch sitzen und spekulieren! Neue wissenschaftliche Entdeckungen werden von Wissenschaftlern gemacht, nicht von Bloggern, nicht von Menschen, die noch nie ein Labor betreten haben. Es gibt kein Universum, in dem die ungebildete Meinung eines Menschen genauso gültig ist wie die Ergebnisse unzähliger von Experten überprüfter Studien. Mag sein, dass Fiedler eine wissenschaftliche Ausbildung hat. Seine Kritik zeigt mir jedoch, dass er weder in der Klimaforschung tätig ist, noch, dass er das Prinzip der Wissenschaft, das Lesen wissenschaftlicher Fachpublikationen etc. verstanden hat. Natürlich kann auch ich mir nicht das Recht nehmen großschnäuzig etwas als „falsch“ zu postulieren und das nur auf Basis von Spekulationen. Zur wissenschaftlichen Kritik, gerade wenn man nicht in der konkreten Forschung arbeitet, die man kritisiert, ist aber ein solides und fundiertes Quellenstudium und Kenntnisse der Materie Voraussetzung. Fiedler Kritik an Cook et al. erfüllt diese Standards jedoch nicht mal im Ansatz. Da reicht auch seine Berufung als „Wikipedia-Kritiker“, „Kämpfer gegen den Mainstream und das Establishment“ etc. nicht aus.

Abschließendes

Bevor ich diesen Beitrag beende, möchte ich noch einmal sagen, dass ich nicht sage, dass der Klimawandel wahr ist, weil all die Wissenschaftler sagen, dass er wahr ist. Wir wissen vielmehr, dass der Klimawandel wahr ist, weil Tausende von Studien gezeigt haben, dass er stattfindet, wir ihn verursachen und er gefährlich ist. Der Konsens unter Wissenschaftlern besteht aufgrund dieser konsistenten Beweislage. So funktioniert ein Konsens in der Wissenschaft. Zuerst werden konsequente und klar aussagende Daten und Fakten gesammelt und diese führen zu einem Konsens unter den Wissenschaftlern. Mein Punkt ist also nicht, dass wir blind einem Expertenkonsens folgen sollten. Wir sollten also nicht blind irgendwelchen Experten folgen und uns auch nicht auf die Autorität gewisser Personen konzentrieren, sondern auf die Faktenlage. In der Wissenschaft geht es nicht um Autorität, sondern um Beweise. Um ein objektives Bild vom Klimawandel zu machen, können wir uns nicht nur jene (selbsternannten) Experten zu Rate ziehen, die unsere vorgefertigte Meinung stützen, sondern müssen den gesamten wissenschaftlichen Diskurs berücksichtigen. Genau das wurde ja auch bezüglich der Argumente der „Skeptiker“ gemacht und gezeigt, dass diejenigen Klimawissenschaftler, die nicht den 97% Konsens anhängen in ihren Theorien widersprüchlich und nicht einheitlich sind. Natürlich besteht theoretisch gesehen die Möglichkeit, dass sich die Mehrheit der Klimawissenschaftler irrt. Doch dieser Irrtum kann sich nicht durch das ewige Berufen auf die „Autoritäten“ der Skeptiker-Szene lösen, sondern durch konsequente und kohärente Fakten.

Bezüglich Markus Fiedlers Artikel ist zusammenzufassen, dass seine Kritik nicht überzeugend ist. Sie büßt des Weiteren auch an Seriosität ein, da ein Großteil des Artikels die Debatten um den Klima-Konsens innerhalb der Wissenschaft ignoriert, er nur jene Autoritäten zitiert, die seiner Anti-IPCC-Haltung zustimmen und seine Polemik gegen „atheistische Skeptiker“ (was immer das auch sein soll) wirkt wie ein Übertünchen seines mangelnden Verständnisses der Klimaforschung. In der Wissenschaft soll es um Sachargumente, Fakten und Hypothesen gehen. Da gehe ich mit. Aber warum werden diese Kriterien nicht bei sich selbst angewendet? Wer vorgibt, die Klimawissenschaftler, die am Konsens festhalten, seien „ferngesteuert“, „manipulativ“, „Dogmatiker“, „Atheisten“, „Skeptiker“ etc. (diese Auflistung beinhaltet nicht nur die Aussagen von Fiedler, sondern fassen die Angriffe aller sog. „Skeptiker“ mit ein) arbeitet nicht mit Sachargumenten. Und die wenigen „Sachargumente“, die Fiedler verwendet, sind in Wirklichkeit keine, dafür aber voller Fehler. Aber Hauptsache gegen den Mainstream.

 

 

 

Literatur

Cook et al. (2013): Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature. In: ENVIRONMENTAL RESEARCH LETTERS 8 (2013). https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/8/2/024024/pdf oder https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/8/2/024024

John Cook, Dana Nuccitelli, Andrew Skuce, Peter Jacobs, Rob Painting, Rob Honeycutt, Sarah A. Green, Stephan Lewandowsky, Mark Richardson, Robert G. Way (2014): Reply to ‘Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature: A re-analysis’, Energy Policy, Volume 73, Pages 706-708, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0301421514003747

Powell, J. L. (2016). Climate Scientists Virtually Unanimous Anthropogenic Global Warming Is True. Bulletin of Science, Technology & Society, 35(5-6) 121–124. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0270467616634958

Powell, J. (2019). Scientists Reach 100% Consensus on Anthropogenic Global Warming. Bulletin of Science, Technology & Society, 37(4), 183–184. https://doi.org/10.1177/0270467619886266

Skuce, A.G., Cook, J., Richardson, M.; Winkler, B. Rice, K., Green, S. A., Jacobs, P.andNuccitelli, D. (in press, 2017) Does it matter if the consensus on anthropogenic global warming is 97% or 99.99%? Bulletin of Science, Technology & Society.

Tol, R., 2014. Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the literature: a re-analysis. Energy Policy, Elsevier, vol. 73(C), pages 701-705. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0301421514002821

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