Von Luca bis Eva – die komplette Evolution des Menschen Teil 0: Die Entstehung des Lebens (Transkript)

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Einführung

 

Wenn man über die Evolution des Menschen spricht, beginnt man normalerweise mit der Trennung unserer gemeinsamen Vorfahren mit Schimpansen und Bonobos vor 6-7 Mio. Jahren oder mit Auftreten der ersten Primaten in der späten Kreidezeit. Da wir Menschen zu den Primaten gehören, klingt dieser Startpunkt einleuchtend. Doch gleichzeitig ist es ein recht willkürlicher Startpunkt im Stammbaum des Lebens. Denn wir Menschen sind auch Säugetiere, und auch Wirbeltiere und eigentlich Lebewesen allgemein. Daher macht es Sinn unsere Evolutionsgeschichte tatsächlich mit dem Beginn des Lebens zu starten. Das macht das ganze zwar unheimlich länger, aber noch viel interessanter. Folgerichtig werden wir in dieser Serie unsere gesamte Evolutionsgeschichte nachzeichnen, indem wir unseren Stammbaum von seiner Wurzel bis zum modernen Menschen verfolgen. Deswegen trägt die Serie den Titel: von LUCA bis Eva. LUCA steht für Last universal common ancestor, also dem letzten gemeinsamen Vorfahren allen Lebens. Eva bezieht sich tatsächlich auf die ersten Menschen. Damit ist nicht die mythologische Figur aus der Bibel gemeint, sondern die mitochondriale Eva, eine Genomsequenz der mitochondrialen DNA, welche den Ursprung der genetischen Abstammungslinie mütterlicherseits von allen Menschen darstellt.

Dies soll in 11 Episoden vorgestellt werden. Aber eine jede gute Geschichte hat auch ihre Ursprünge, ein Prequel, eine Episode Null. Und anders als in vielen Hollywood-Klassikern, wollen wir mit dieser Origin-Story beginnen, mit der Entstehung des Lebens.

Menschen sind bekanntlich Lebewesen und es ist daher sinnvoll, sich mit der Entstehung des Lebens auseinanderzusetzen. Dies habe ich in 17 Episoden in einer eigenen Serie gemacht, von der Entstehung der ersten Biomoleküle, hin zu den ersten Stoffwechselprozessen, Zellen und des genetischen Codes. Dies ist natürlich eine große Menge Stoff – fast 8 Stunden Videomaterial. Da macht es natürlich Sinn, das Wichtigste zusammenzufassen, auch wenn es bei dieser Episode sicherlich eine gewisse Länge haben wird. Da in den vielen Episoden etliche biochemische Details wiedergegeben werden, konzentriere ich mich hier auf das Wesentliche. Alle Inhalte der 17 Video sind als Textquellen auf meiner Homepage hinterlegt. Der rote Faden dieser Folge wird sich Großteils an die Reihenfolge der Videos halten, wobei ich aber hier und da einzelne Episoden vorziehen werde, die für eine Zusammenfassung besser geeignet sind. In welchen Episoden ihr Einzelheiten genauer nachschauen könnt, erfahrt ihr in den Überschriften.

Allgemeine Literatur zur Entstehung des Lebens

Rauchfuß, H. (2005): Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens. Springer, Heidelberg

Schreiber, U. C. (2019): Das Geheimnis um die erste Zelle. Dem Ursprung des Lebens auf der Spur. Springer

Smith, J., M. Szathmáry, E. (2000):  The Origins of Life: From the Birth of Life to the Origin of Language. Oxford University Press

Smith, J., M. Szathmáry, E. (1996): Evolution: Prozesse, Mechanismen, Modelle. Spektrum Akademischer Verlag

Lane, N. (2017): Der Funke des Lebens Energie und Evolution. Konrad Theis Verlag

Lane, N. (2009): Life Ascending: The Ten Great Inventions of Evolution. WW Norton/Profile, London.

Was ist Leben?

 

Für die Entstehung des Lebens ist es erst einmal notwendig, Leben zu definieren. Das ist – gemessen an der Fülle und Vielfalt lebendiger Formen – gar nicht so einfach und es gibt in der Forschungsliteratur verschiedene Ansätze Leben zu definieren. Für unsere Abhandlungen reicht es aber aus, sich an folgende Kriterien des Lebendigen zu konzentrieren. Alles Leben, das wir kennen, basiert auf Zellen, die Nährstoffe abbauen, um zu wachsen und sich fortzupflanzen. Sie entwickeln sich und passen sich an, indem sie auf Reize reagieren, und am wichtigsten ist, dass Lebewesen eine Homöostase aufrechterhalten, d. h. ein ausgeglichenes inneres chemisches Milieu haben, denn wenn das nicht mehr gegeben ist, stirbt der Organismus. Das Genom der Lebewesen wird in Form der DNA gespeichert, die auch an die nächste Generation weitergegeben wird. Die Nachkommen einer Generation sind nicht mit ihren Eltern identisch. Es gibt also Variation, die auch die Grundlage der Evolution sind – einen generationenübergreifenden Wandel.

Wie das Leben entstanden ist, das ist Forschungsgegenstand der Abiogenese. Oft kommt in diesem Zusammenhang der Satz von Louis Pasteur, dass alles Leben nur aus Lebenem entstanden sein kann (Omne vivum e vivo), zur Sprache. Dies wird gerne von Kreationisten so hingestellt, dass das Leben nicht durch natürliche Prozesse entstanden sein kann, sondern einen Schöpfer braucht. Pasteurs Experimente bestätigten aber nur, dass komplexe Lebensformen wie Mäuse, Maden oder Bakterien nicht vollständig, in einem Schritt entstehen können, etwas was die Abiogenese auch nicht behauptet. Pasteur widerlegte lediglich die zur damaligen Zeit populäre Urzeugung, bei der man davon ausging, dass Lebewesen aus verrottendem Fleisch oder verdorbener Brühe spontan entstehen können; eine magische, gar kreationistische Vorstellung. Weiterhin sagen die Experimente von Pasteur, dass unter den heutigen Bedingungen Leben nur aus vorherigem Leben entstehen kann. Es gibt aber gute Anhaltspunkte dafür, dass bei der Entstehung des Lebens auf der Erde ganz andere Bedingungen herrschten; so gab es beispielsweise keinen Sauerstoff in der Atmosphäre.

Um die Entstehung des Lebens zu rekonstruieren, muss man sich verschiedener hypothetischer Szenarien bedienen. Diese sind – anders als die Behauptung der Kreationisten – keine Hirngespinste, sondern basieren auf den Erkenntnissen der Geowissenschaften, Chemie, Biochemie, Genetik und anderer Disziplinen. Sie sind auch als wissenschaftliche Hypothesen überprüfbar. Es gibt unterschiedliche Ansätze und konkurrierende Hypothesen, wie das Leben entstanden ist. Sie lassen sich im Wesentlichen in zwei Denkrichtungen gruppieren: „Information zuerst“ und „Stoffwechsel zuerst“. Information zuerst Hypothesen gehen davon aus, dass Leben erst entstehen konnte, als es informationstragende Moleküle wie RNA gab. Solche Moleküle sind in der Lage sich selbst zu vervielfältigen und geben dabei ihre Information über ihre Struktur weiter. Stoffwechsel zuerst Hypothesen besagen, dass sich zunächst die chemischen Stoffwechselprozesse, die das Leben aufrechterhalten, entwickelten. Sie waren zu Beginn einfach, wurden mit der Zeit komplizierter und brachten irgendwann die ersten Organismen hervor. Beide Denkschulen standen früher in Konkurrenz zueinander, doch mittlerweile gibt es zunehmend eine Annäherung beider Hypothesen, da sie gar nicht im Widerspruch zueinanderstehen müssen.

Die Grundlagen zu diesem Kapitel sind die Teile 1 und 2 der Serie zur Entstehung des Lebens (dort finden sich die spezifischeren Quellen zur Definition des Lebens und zur Urzeugung):

Die Entstehung des Lebens Teil 1: Definition von Leben: https://internet-evoluzzer.de/definition-von-leben/

Die Entstehung des Lebens Teil 2: Forschungsgeschichte: Vitalismus – Urzeugung – Abiogenese https://internet-evoluzzer.de/vitalismus-urzeugung-abiogenese/

Exkurs Entstehung der Erde

 

Unser Wissen über die frühe Entstehung unseres Planeten hat in den zurückliegenden Jahrzehnten zugenommen, dass sich inzwischen ein grobes geophysikalisches Bild der Anfangsphase abzeichnet. Da wir uns mit der Entstehung des Lebens auf der Erde befassen, möchte ich an dieser Stelle auf meine Serie Evolution der Erde hinweisen, bei der die Entstehung der Erde, des Universums, der Elemente und der Sterne behandelt werden. Fassen wir aber für uns die wichtigsten Punkte zusammen, die für die Entstehung des Lebens hilfreich sind.

  • Frühe Naturforscher wiesen Mitte des 16. Jh. nach, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und legten Anfang des 18. Jahrhunderts die Gesetze der Schwerkraft und der Planetenbewegungen fest. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts katalogisierten Astronominnen an der Harvard University alle Objekte am Nachthimmel und entwickelten eine Methode zur Bestimmung der Entfernung zu einem Stern oder einer Galaxie.
  • In den 1920er Jahren wurde der Beleg erbracht, dass sich alle Sterne und Galaxien von uns entfernen, da alle ihre Spektren zum roten Ende des Spektrums hin verschoben sind. Dies belegt, dass sich das Universum ausdehnt.
  • Die Belege für die Ausdehnung des Universums deuteten auf eine Singularität zu Beginn der Entstehung des Universums hin, gefolgt von einer Expansion, auch bekannt als Urknall. Dessen Bestätigung kam durch die zufällige Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, welches als Überbleibsel des Urknalls zurückgelassen wurde.
  • Die Urknallkosmologie ist ein erfolgreiches Modell, das die Entwicklung des Universums aus einer anfänglichen Singularität beschreibt. Die Urknallkosmologie bietet keine Erklärung für die Ursache der Anfangssingularität, sondern nur für die Entwicklung des Universums, die etwa ein Billionstel einer Billionstel Sekunde nach der Anfangssingularität beginnt. Daher entbehrt z. B. die ganze kreationistische Rhetorik, wonach die Wissenschaft behauptet, dass Etwas aus dem Nichts entstanden sei, jeder Grundlage. Der eigentliche Anfang des Universums wird von der Wissenschaft nicht verstanden, wenn auch Modelle und Ansätze existieren, diesen zu untersuchen.
  • Viele Kreationisten leugnen die Urknallkosmologie, weil sie sie nicht verstehen und absichtlich falsch darstellen. Vor allem Junge-Erde-Kreationisten neigen dazu, sich eine Knallgrafik vorzustellen, aus der voll ausgebildete Planeten und Kometen herauspurzeln, was in der Tat absurd wäre. Natürlich hat dies nichts mit der tatsächlichen Kosmologie zu tun. Um es so kurz wie möglich zu halten: Aus der Anfangssingularität entstand reine Energie, die schnell zu Materie erstarrte, einem Plasma aus Quarks und Leptonen, aus dem sich in den folgenden Epochen Baryonen wie Protonen und Neutronen bildeten. Das Universum kühlte sich rasch ab, und einige Minuten nach der Anfangssingularität gab es eine kurze Periode, die als Urknall-Nukleosynthese bezeichnet wird, in der es kühl genug war, damit Protonen und Neutronen existieren konnten, aber immer noch heiß genug, damit sie verschmelzen konnten, so wie sie es im Inneren von Sternen tun, und in der sich viele Heliumkerne und einige Lithiumkerne bildeten. Ein paar hunderttausend Jahre später war es schließlich kühl genug, dass sich die Kerne mit den Elektronen verbinden konnten, so dass sich Atome bildeten, und all diese Materie hatte sich die ganze Zeit über durch den Einfluss der Schwerkraft in Gaswolken gesammelt und tut dies nun seit Millionen von Jahren als atomare Materie.
  • Wenn sich genügend Wasserstoffgas in einem kleinen Bereich sammelt und verdichtet, löst der immense Gravitationsdruck die Fusion aus und ein Stern entsteht. Dies war die Zeit, in der sich die ersten Sterne und Galaxien bildeten. Die massereichsten Sterne verbrannten ihren Brennstoff am schnellsten und erzeugten schwerere Elemente. Als sie in gewaltigen Supernovas starben, erzeugten sie den Rest der schwereren Elemente und schleuderten dieses Material in das Universum hinaus. Dieses Material sammelte sich wieder und bildete andere Sterne, diesmal mit genügend unterschiedlichem Material, so dass sich neben den Sternen in protoplanetaren Scheiben auch Planetensysteme bilden konnten. Unser Sonnensystem entstand auf diese Weise etwa zehn Milliarden Jahre nach dem Urknall, und unser Planet Erde war Teil dieser Systembildung.
  • Als die Materieteilchen in der protoplanetaren Scheibe begannen, sich zusammenzuballen, bildeten sie immer größere Massen, bis sie zu Planetesimalen wurden. Diese Körper zogen noch mehr Materie an und zogen die gesamte Materie in ihrer Bahn um die Sonne an, bis sie die Größe von Protoplaneten erreichten. Schließlich zog die Anziehungskraft der Protoplaneten den Großteil der verbleibenden freien Materie im Sonnensystem an, bis diese Körper die Größe unserer heutigen Planeten erreichten.
  • Über den Zustand und Zusammensetzung des inneren Aufbaus unserer Erde, bestehend aus einer ozeanischen und kontinentalen Kruste, einem Erdmantel und Erdkern, wissen wir durch die Brechung seismischer Wellen, die die Erde durchlaufen und von Seismographen auf der ganzen Welt erfasst werden. Meteoriten, die auf die Erde fallen, liefern uns Proben von anderen Planetenkörpern sowie das Material des ursprünglichen Sonnensystems, bevor es Planeten gab. Die drei wichtigsten Arten von Meteoriten sind 1) chondritische Meteorite, die aus dem frühesten Sonnensystem stammen und die Daten liefern, aus denen man die Eigenschaften und das Alter des frühen Sonnensystems ableiten kann; 2) Steinmeteoriten, die reich an Magnesiumsilikaten sind, der gleichen Zusammensetzung wie die Gesteine unseres eigenen Mantels, und von denen man annimmt, dass sie Überreste des Mantels eines anderen Planeten sind, der zerbrochen ist; und 3) Eisen-Nickel-Meteoriten, die Informationen über den Aufbau eines Planetenkerns liefern. Sie sind die einzigen im Sonnensystem vorkommenden Metalle, die dicht genug sind, um die Gesteine in unserem Kern zu bilden und, was am wichtigsten ist, Eisen und Nickel sind gute elektrische Leiter, so dass sie, wenn sie geschmolzen sind, konvektieren und das Magnetfeld der Erde erzeugen.
  • Die Wärme, die durch den radioaktiven Zerfall von Aluminium-26 und anderen Elementen entstand, sowie die Wärme, die durch den Einschlag von Meteoriten und durch die Erhaltung des Drehimpulses entstand, trugen dazu bei, die Erde zu schmelzen, sodass die dichtesten Elemente, Eisen und Nickel, in die Mitte sanken und den Kern der Erde bildeten. Die übrigen Elemente blieben zurück und bildeten den Erdmantel.
  • Nach einer ersten Abkühlungsphase, nachdem sich der Erdkern vom Mantel getrennt hatte, bildete junge Erde eine relativ einheitliche Kruste, kollidierte aber dann mit einem Kleinplaneten, Theia. Dabei wurde Mantelmaterial in den Weltraum geschleudert, das sich schließlich zu dem Mond verfestigte, wie wir ihn heute kennen (obwohl er bei seiner Entstehung viel näher an der Erde war). Dies wissen wir u. a. anhand der Untersuchung von Mondgesteinen.
  • Die Erde kühlte abermals ab und bildete wider eine dünne Kruste, überwiegend aus Basalt. Daraufhin brachten magmatische Prozesse im Erdmantel und das Wiederaufschmelzen von Krustenfragmenten allmählich ein Gestein hervor, dass eine andere Zusammensetzung und Dichte besaß als die basaltische Kruste und es führte zur Bildung der kontinentalen Kruste. Ihr Gehalt an radioaktiven Elementen lag anfangs höher als heute, sie war wärmer und dünner als die derzeit durchschnittliche Krustendicke von 30 km. Im Vergleich zur damaligen, wenige Kilometer mächtigen basaltischen Kruste, die sich grob mit der ozeanischen Kruste vergleichen lässt, war sie aber wesentlich kühler und chemisch komplexer zusammengesetzt. Vor etwa 4,4 Milliarden Jahren, also knapp 150 Mio. Jahre nach ihrer Entstehung, kühlte die Erde auf unter 100 Grad Celsius ab und sich die ersten Ozeane bilden konnten. Wie Untersuchungen der Sauerstoffisotope von Zirkonkristallen belegen, stammt das Wasser aus dem Erdmantel und nicht aus Kometen, wie man vorher annahm.
  • Wie sah die Atmosphäre der frühen Erde aus? Vergleiche mit großen Gasplaneten wie Jupiter liefern ein Bild über die frühe Zusammensetzung der präbiotischen Erdatmosphäre. Die wichtigsten Gase in diesen riesigen Gasplaneten sind Wasserstoff und Helium. Die Masse der Erde ist aber zu gering, um diese leichten Gase in der Atmosphäre zu halten. Sobald Wasserstoff und Helium entwichen sind, wären die nächsthäufigen Gase vor allem CO2, aber auch Ammoniak (NH3) und Methan (Ch4). Diese Gase bilden auch den Großteil der Atmosphäre der kleineren Gesteinsplaneten. Interessanterweise war, als die Erde noch sehr jung war, die Strahlungsleistung der Sonne um 30% niedriger als heute. Unter solchen Bedingungen würde auch unsere heutige Erde zum Eisplaneten werden. Zirkonkristalle belegen aber das Vorhandensein von flüssigem Wasser vor 4,4 Mrd. Jahren. Folgerichtig müsste ein erhöhter Anteil von Treibhausgasen wie CO2 und Methan die geringere Strahlung der Sonne kompensieren. Stickstoff macht heute 78% unserer Luft aus und war wohl damals auch reichlich vorhanden. Was die Uratmosphäre aber nicht hatte war freier Sauerstoff – dieser ist, zumindest in relevanten Mengen, ein Produkt der Photosynthese und dies eine Leistung von Lebewesen. Eine solche Atmosphäre bezeichnet man als reduziert. Untersuchungen alter Sedimentgesteine zeigen, dass die Uratmosphäre reich an Stickstoff und CO2 war, andere Gase wie Methan und Ammoniak waren eher in Spuren vorhanden, die Atmosphäre war schwach reduzierend.

Dieser sehr verkürzte Exkurs von der Entstehung des Universums hin zur Entstehung der Erde soll zeigen, dass die Vorbedingungen zur Entstehung des Lebens auf der Erde vorhanden gewesen sind, da völlig andere Bedingungen vorherrschten als zu unserer heutigen Zeit.

In diesem Kapitel finden sich die wichtigsten Zusammenfassungen meiner Serie zur Evolution der Erde. Konkret sind folgende Teile hervorzuheben:

Urknall und Ursprung des Universums Teil 1: Indizien für die Expansion des Universums https://internet-evoluzzer.de/universum1/

Urknall und Ursprung des Universums Teil 3: der Urknall https://internet-evoluzzer.de/urknall/

Entstehung der Elemente und der Sterne https://internet-evoluzzer.de/entstehung_elemente_und_sterne/

Entstehung der Erde und des Mondes: https://internet-evoluzzer.de/entstehung-der-erde-und-des-mondes/

Archaikum und Proterozoikum: Entstehung der Kontinente: https://internet-evoluzzer.de/entstehung-der-kontinente/

Klima und Atmosphäre der jungen Erde https://internet-evoluzzer.de/klima-und-atmosphaere-der-jungen-erde/

Für ein vertieftes Studium sind auch folgende Nachschlagewerke zu empfehlen, auf die sich diese Artikel u. a. stützen:

  • Entstehung des Universums und der Sterne:

Bennett, J. Donhaue, M., Schneider, N., Voit, M. (2020): Astronomie die kosmische Perspektive. Pearson Verlag, 9. Auflage

Maran, S. M. (2008): Astronomie für Dummies. Wiley VCH Verlag, 3. Auflage

Pincock, S., Frary, M. (2009): Ursprung des Universums für Dummies. Wiley VCH Verlag, 1. Auflage

Lesch, H., Gaßner, J. M. (2020): Urknall, Weltall und das Leben. Verlag Komplett-Media, 4. Auflage

  • Grundlagen der Geologie und Entstehung der Erde:

Bahlburg, H. & Breitkreuz, C. (2017): Grundlagen der Geologie, 5.Auflage. Springer Verlag

Grotzinger, J. & Jordan, T. (2017): Press/Siever Allgemeine Geologie, 7. Auflage, Springer Verlag

Hubmann, B. & Fritz, H. (2019): Die Geschichte der Erde. marixverlag

Oschmann, W. (2016): Evolution der Erde. Utb

Prothero, D. (2021): The Evolving Earth. Oxford University Press

Prothero, D. & Dott, (2004): Evolution of the Earth, Seventh edition. McGrawHill

  • Spezialliteratur zur Bildung der Kruste und Ozeane, sowie der Zusammensetzung der Uratmosphäre

Tusch, J. et al. (2022): Long-term preservation of Hadean protocrust in Earth’s mantle. PNAS 119 (18) e2120241119 https://doi.org/10.1073/pnas.2120241119

Trail, D., Watson, E.B., Tailby, N.D. (2011): The oxidation state of Hadean magmas and implications for early earth’s atmosphere. Nature 480, 79-82.

Valley, J. & Reinhard, David & Cavosie, Aaron & Ushikubo, Takayuki & Lawrence, F & Larson, David & Kelly, Thomas & Snoeyenbos, David & Strickland, Ariel. (2015). Presidential Address. Nano-and micro-geochronology in Hadean and Archean zircons by atom-probe tomography and SIMS: New tools for old minerals. American Mineralogist. 100. 10.2138/am-2015-5134.

Die folgenden Kapitel sind eine Zusammenfassung der teile 3-17 zur Entstehung des Lebens. Diese Kapitel zitieren eine Fülle an Quellenmaterial. Um die Literaturliste nicht unnötig lang zu machen, werden die entsprechenden Links zur Serie gepostet. Die genauen Quellen zu den Studien und weitere Hintergrundinformationen sind entsprechend diesen links zu entnehmen.

LUCA

Alle Lebewesen lassen sich auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückführen, bezeichnet als Last Universal Common Ancestor oder kurz LUCA. LUCA war nicht unbedingt das erste Lebewesen, sondern das einzige, welches Nachkommen hinterließ. LUCA muss auch nicht eine einzelne Zelle gewesen sein, man geht eher davon aus, dass er eine Art „wabernde Masse“ war, in der genetisches Material ständig ausgetauscht wurde. Mit der Zeit bildeten sich aber doch einzelne, direkt miteinander konkurrierende Linien. Schließlich kristallisierten sich zwei Hauptlinien, genauer gesagt Domänen des Lebens, heraus: die Bakterien und Archaeen. Sie unterscheiden sich so deutlich in verschiedenen Punkten – etwa in der Zusammensetzung ihrer Zellmembran und Zellwände als auch in der Form der Vermehrung ihrer DNA. Die dritte Domäne des Lebens, die Eukaryoten, zu der u. a. alle Tiere, Pflanzen und Pilze gehören, entstanden aus der Verschmelzung einer Archaeenzelle mit Bakterienzellen (letztere wurden zu den Mitochondrien). Um also die Entstehung des Lebens nachzuvollziehen, muss dieser Urzustand von LUCA rekonstruiert werden. Man steht hier aber vor einigen Problemen: auch die heute lebenden Bakterien und Archaeen, selbst die einfachsten unter ihnen, haben eine gewisse Komplexität. D. h. der Unterschied zwischen LUCA bzw. den präbiotischen Lebewesen und den Bakterien ist in etwa so groß wie zwischen Bakterien und Mensch. Zwar finden sich fossile Hinweise auf Leben schon vor 3,8 Mrd. Jahren, jedoch handelt es sich hierbei schon um Bakterien, also entstand das Leben weit vorher.

Ein Ansatz, wie man die Eigenschaften von LUCA rekonstruiert sind der Top-Down und der Bottom-Up-Ansatz. Beim Top-Down-Ansatz würde man die Eigenschaften der heute lebenden Organismen nehmen, nach deren Gemeinsamkeiten suchen und so mittels der Erstellung phylogenetischer Stammbäume den Zustand von LUCA festhalten, z. b. wie LUCA seinen Stoffwechsel betrieb, welche Gene notwendig waren etc. Nach diesem Prinzip geht die phylogenetische Systematik vor, steht aber hier vor der Herausforderung, dass die beiden Domänen Bakterien und Archaeen zum horizontalen Gentransfer in der Lage sind. Horizontaler Gentransfer bezeichnet eine Übertragung von genetischem Material nicht entlang von einer Generation zur darauffolgenden, sondern „horizontal“ von einem Organismus in einen bereits existierenden anderen hinein. Das macht die Wurzel des Stammbaums etwas verwobener und unübersichtlich, aber nicht ganz unmöglich. Das erklärt aber auch, weshalb ich LUCA zunächst als „waberne Masse“ und nicht als eine einzelne Zelle bezeichnet habe, da bei diesem protobiotischen Zustand sicherlich ebenfalls ein horizontaler Gentransfer stattfand. Trotz der Schwierigkeiten durch den horizontalen Gentransfer zeigen alle phylogenetischen Analysen, dass die Trennung in zwei Domänen, Bakterien und Archaeen, die tiefste Divergenz im Stammbaum des Lebens darstellt. Wenn wir herausfinden können, welche Eigenschaften alle Bakterien und Archaeen gemeinsam haben und welche sich unterscheiden, weil sie vermutlich erst später in bestimmten Gruppen entstanden sind, dann können wir ein “passendes Foto” von LUCA zusammenstellen. Je nützlicher ein Gen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es schon früh in der Evolution weit verbreitet war. Um einen weit verbreiteten horizontalen Gentransfer auszuschließen, sind wir gezwungen, auf echte Universalgene zurückgreifen, die Vertreter praktisch aller Gruppe von Bakterien und Archaeen gemeinsam haben. Das minimiert zumindest die Möglichkeit, dass diese Gene durch frühen horizontalen Gentransfer weitergegeben wurden. Berücksichtig man diese Gene hat LUCA einige merkwürdige Eigenschaften:

Er verfügte über eine DNA und war in der Lage mittels Transkription den genetischen Code abzulesen und in Proteine umzuwandeln. Somit verfügte er auch über Ribosomen, mRNAs und tRNAs. Ein Anhaltspunkt ist, dass die bei der Transkription verwendeten DNA-abhängigen RNA-Polymerasen in allen drei Domänen starke Ähnlichkeiten aufweisen. Andererseits läuft die Vermehrung der DNA, also die Replikation, bei beiden Domänen unterschiedlich, sodass sie sich höchstwahrscheinlich unabhängig voneinander entwickelt haben. LUCA verfügte über eine Zellmembran und erzeugte ATP mittels ATP-Snythasen, auch andere Stoffwechselwege wie der Krebs-Zyklus waren schon bei LUCA vorhanden. Aber die Zellwand und Zellmembran sind bei Bakterien und Archaeen unterschiedlich aufgebaut, sind also auch unabhängig voneinander entstanden. LUCA war ein autotropher Organismus, der aus anorganischen Molekülen organische herstellte. Genaugenommen betrieb LUCA seinen Stoffwechsel mit CO2 und Wasserstoffgas, erster als Kohlenstofflieferant, letzterer als Energielieferant. Lebewesen mit derartigem Stoffwechsel gibt es noch heute: Methanogene aus der Domäne der Archaeen und Acetogene aus der Domäne der Bakterien, die mittels Acetyl-CoA-Weg das CO2 fixieren, dem einzigen Stoffwechselweg, der Kohlenstoff ohne die Zufuhr von Energie fixieren kann. Die notwendigen Elektronen entstammen dem Wasserstoff. Zwar nutzen beide Gruppen CO2 und H2 als Energielieferant, aber die biochemische Verdrahtung, die Übertragung der Elektronen etc. ist bei Acetogenen und Methanogenen verschieden, sodass auch andere „Abfallprodukte“, Methan bzw. Essigsäure, entstehen. Hinzu zeigen neueste genetische Analysen, dass das Genom von LUCA relativ komplex war, etwa in der Größenordnung durchschnittlicher Bakterien und Archaeen.

Diese Erkenntnisse helfen zwar, auf welche Bereiche der Abiogeneseforschung man sich konzentrieren sollte, will man die Entstehung des Lebens begreifen, führt aber zu dem Problem, dass die Prozesse bis zur Entstehung von LUCA mittels phylogenetischer Stammbäume nicht ermittelt werden können. Hier bedient man sich der Bottom-Up-Methode, bei denen man sich „von unten“ annähert, indem man von einfachen Bausteinen ausgehend einen möglichen Weg hin zu komplexen Zielen sucht. Idealerweise treffen sich beide Methoden, Top-down und Bottom-up, bei LUCA, doch der Bottom-Up-Ansatz ist mit größeren Unsicherheiten verbunden.

Dieses Kapitel basiert im Wesentlichen auf Kapitel 10 zur Entstehung des Lebens. Die dafür relevanten Quellen sind dort ebenfalls zu entnehmen:

Entstehung des Lebens Kapitel 10: Last Universal Common Ancestor (LUCA): https://internet-evoluzzer.de/last-universal-common-ancestor-luca/

Folgende Literaturquellen sind zudem für die ersten fossilen nachweise des Lebens interessant:

Derenne, S.; Robert, F.; Skrzypczak-Bonduelle, A.; Gourier, D.; Binet, L.; Rouzaud, J.-N. (2008). “Molecular evidence for life in the 3.5 billion year old Warrawoona chert”. Earth and Planetary Science Letters. 272 (1–2): 476–480. Bibcode:2008E&PSL.272..476D. doi:10.1016/j.epsl.2008.05.014.

Schopf, J. W.; Packer, B. M. (1986). “Newly discovered early Archean (3.4–3.5 Ga Old) microorganisms from the Warrawoona Group of Western Australia”. Origins of Life and Evolution of the Biosphere. 16 (3–4): 339–340. Bibcode:1986OrLi…16..339S. doi:10.1007/BF02422059. S2CID 39363922.

Skrzypczak, A.; Derenne, S.; Robert, F.; Binet, L.; Gourier, D.; Rouzard, J.-N.; Clinard, C. (2004). Characterization Of The Organic Matter In An Archean Chert (Warrawoona, Australia). 35th Lunar and Planetary Science Conference. League City, TX. Bibcode:2004LPI….35.1241S.

Zur genetischen Ausstattung von LUCA siehe:

Moody, et al. (2024) The nature of the last universal common ancestor and its impact on the early Earth system. Nature Ecology & Evolution 8, 1654–1666.

Entstehung von Biomolekülen

Die typischen Bottom-Up-Ansätze beginnen mit der Bildung organischer Moleküle. Die Modelle und Experimente von Oparin, Haldane, Miller und Urey belegen, dass unter reduzierenden Bedingungen und bei Anwesenheit bestimmter einfacher Substanzen wie Methan, Ammoniak und Wasserdampf sowie der Bereitstellung von Energie durch Selbstorganisationsprozesse organische Moleküle entstehen. Die für das Leben wichtigen Moleküle sind Aminosäuren, Zucker, Lipide und Nukleinsäuren. Sie sind die Monomere der Proteine, Kohlenhydrate, Zellmembranen, RNA und DNA. Das berühmte Miller-Urey-Experiment aus den 1950er Jahren nahm einfache Moleküle wie Methan und Ammoniak, führte einen Funken ein und erhielt Aminosäuren. Dieses ist nicht das einzige „Ursuppenexperiment“. Die Synthese von Aminosäuren wurde unter verschiedenen präbiotischen Bedingungen (z. b. verschiedene Anteile von CO2, Ammoniak und weiteren reduzierten Gasen) durchgeführt und führte zu verschiedenen Ausbeuten von Aminosäuren. Für andere wichtige Biomoleküle wie Lipide und Zucker gibt es ebenfalls gut erforschte Synthesewege, wobei letztere durch die so genannte Formosereaktion entstehen, Lipide mittels Fischer-Tropsch-Synthese aus Kohlenmonoxid und Wasserstoffgas. Die Synthese von Ribonukleotiden, die aus drei Komponenten bestehen, einem Zucker, einer Nukleobase und einem Phosphat, ist herausfordernder, aber nicht unmöglich. Zahlreiche Synthesechemiker befassen sich mit diesem speziellen Aspekt der Abiogenese, und in den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche praktikable präbiotische Synthesewege für jeden dieser Bestandteile und ihren Zusammenbau zu Ribonukleotiden nachgewiesen. Die Einzelheiten dieser präbiotischen Synthesen würden hier den Rahmen sprengen, sind aber in den entsprechenden Teilen 3 und 4 genauer beschrieben. Mittlerweile ist auch bekannt, dass viele dieser Biomoleküle auch im Weltraum entstehen können. So finden sich in Meteoriten Aminosäuren, Lipide, die für das Leben so wichtigen Phosphatverbindungen oder z. b. auch Nukleinsäurebasen wie Uracil. Für die Entstehung des Lebens ist das Weltraum nicht nötig, aber diese in Meteoriten gefunden Biomoleküle belegen, dass deren Entstehung relativ einfach ist und diese die Erde zusätzlich mit organischen Molekülen „gefüttert“ haben.

Sobald die Monomere zur Verfügung stehen, müssen sie polymerisieren, um RNA und Polypeptide zu bilden. Hierfür gibt es eine Reihe von Mechanismen, die eindeutig belegt sind. Der erste wäre der Nass-Trocken-Zyklus. In flachen Gebieten wie Gezeitentümpeln und heißen Quellen gibt es natürliche Zyklen wie Tag und Nacht sowie Gezeiten, die zu einer sequentiellen Polymerisation und Degradation führen. Wenn ein Becken austrocknet, verlängert sich eine Kette. Sobald sie wieder feucht ist, kommt es zu einer gewissen Dissoziation, und neue Monomere können in die wachsende Kette in der Lösung einwandern. Über viele Zyklen hinweg können sich lange Ketten bilden, was in der Natur tatsächlich beobachtet wurde. Besonders Mineraloberflächen, wie Tone, Pyrit, Zeolithe und Metallionen begünstigen die Bildung von Polymeren, da diese eine katalytische Wirkung haben und die Polymere stabilisieren. Sobald Biopolymere verfügbar sind, können Ansammlungen dieser Polymere in kleinen Vesikeln, die sich spontan bilden können, eingeschlossen werden, was zu winzigen Kompartimenten führt, in denen interessante Wechselwirkungen auftreten können. Mineraloberflächen stabilisieren nicht nur diese Biomoleküle, sondern treiben eine Selektion voran. Denn bestimmte Polymere degenerieren und treiben gleichzeitig die Polymerisation anderer Moleküle voran. Dadurch entsteht ein Gleichgewicht zwischen Monomeren und Polymeren, innerhalb dessen sich für verschiedene Polymere unterschiedliche Geschwindigkeitskonstanten ergeben, wodurch eine Art natürliche Auslese stattfindet, bei der sich einige Polymere schneller bilden oder langsamer abbauen oder effektiver stabilisiert werden, und dies sind Faktoren, die dazu führen, dass bestimmte Sequenzen in statistisch signifikanter Weise überwiegen.

Moleküle auf Kohlenstoffbasis einer bestimmten Größe weisen oft eine Chiralität oder Händigkeit auf, sie sind also Spiegelverkehrt. Man bezeichnet sie auch als Enantiomer. Kohlenstoff kann vier Bindungen mit einer dreidimensionalen tetraedrischen Geometrie eingehen, bei der die Atome im dreidimensionalen Raum unterschiedlich verteilt sind. Ihr chemisches und physikalisches Verhalten ist gegenüber nicht-chiralen Einflüssen, wie z. B. unpolarisiertem Licht, tatsächlich gleich. In chiraler Umgebung hingegen, z. B. in polarisiertem Licht oder bei Reaktionen mit anderen chiralen Molekülen, sind Enantiomere physikalisch und chemisch deutlich voneinander unterscheidbar. Grundsätzlich entstehen gleichviele Enantiomere, betrachtet man aber Biomoleküle wie Aminosäuren und Nukleinsäuren, so haben sie in lebenden Systemen nur eine bestimmte Chiralität, sie sind also homochiral. Wie kann ein solches homochirales System entstehen? Wenn sich kleine Monomere bilden, können sie als Mischungen beider Formen kristallisieren, und dann können diese Kristalle sublimieren, d. h. von der festen Phase in die Gasphase übergehen. Die Sublimationsraten können je nach Zusammensetzung des Kristalls unterschiedlich sein, wobei sich ein bestimmtes Enantiomer an einer anderen Stelle in höherer Konzentration ansammelt, was eine Möglichkeit der Enantiomeranreicherung darstellt. Darüber hinaus kann die Kristallisation von Aminosäuren die bevorzugte Cokristallisation eines bestimmten Enantiomers anderer Aminosäuren bewirken. Betrachtet man die Polymerisationsphase, so kann bei Reaktionen auf chiralen Mineraloberflächen die Reaktionsgeschwindigkeit für ein Enantiomer schneller sein als für das andere, was zu einer kinetischen Verzerrung und damit zur Dominanz eines Enantiomers führen. Zudem replizieren sich homochirale Peptide und RNA schneller als heterochirale Systeme, was einen Selektionsvorteil mit sich bringt.

Dieses Kapitel ist eine sehr stark komprimierte Version der Teile 3 – 7. Dort finden sich auch die detaillierten Quellen und biochemischen Reaktionen, auf die im Rahmen dieses Beitrags verzichtet wurde.

Teil 3 befasst sich mit der Entstehung der Aminosäuren, so dem Miller-Versuch und weiteren, darauf aufbauenden Forschungen:

Die Entstehung des Lebens Teil 3: Stanley Miller und die Synthese von Aminosäuren: https://internet-evoluzzer.de/miller-experiment/

Teil 4 befasst sich mit der Synthese von Zuckern, Lipiden und der RNA:

Die Entstehung des Lebens Teil 4: Präbiotische Synthese von Nukleinsäuren, Zuckern, Fetten: https://internet-evoluzzer.de/synthese-von-nukleinsaeuren-zuckern-fetten/

Teil 5 befasst sich mit der Polymerisation der organischen Moleküle:

Die Entstehung des Lebens Teil 5: Polymerisation von Biomolekülen: https://internet-evoluzzer.de/polymerisation-von-biomolekuelen/

Teil 6 widmet sich der Chiralität:

Die Entstehung des Lebens Teil 6: Chiralität und Enantiomere: https://internet-evoluzzer.de/chiralitaet-und-enantiomere/

Teil 7 geht der Frage nach der Entstehung von Biomolekülen im Weltraum und der Panspermie nach, die in dieser Serie praktisch kaum Erwähnung findet und daher eher ergänzend zu betrachten ist:

Entstehung des Lebens Teil 7: Panspermie: https://internet-evoluzzer.de/panspermie/

Stoffwechsel zuerst

Wir wissen also mittlerweile, dass sich nahezu alle Biomoleküle unter präbiotischen Bedingungen bilden können. Das ist jedoch nur der erste Schritt in Richtung der Entstehung des Lebens. Dabei ist Folgendes zu beachten: Lebende Systeme zeichnen sich durch thermodynamische Ungleichgewichte aus, sie existieren in einem Fließgleichgewicht. Sie tauschen Stoffe mit ihrer Umgebung aus und halten so ihre innere Ordnung aufrecht. Trotz des ständigen Material- und Energieaustausches mit der Umgebung bleiben die inneren Systemeigenschaften relativ konstant, das ist die Homöostase. Sie haben eine innere Ordnung (stoffliche Ungleichverteilung), welche über längere Zeiträume relativ unabhängig von der Umgebung existiert. Die molekularen Umwandlungen des Lebens müssen eine Anforderung an chemische Spezifität erfüllen. Dazu gehören z. B. die Kontrolle über die Auswahl der Reaktanten und die Kontrolle darüber, welche Produkte entstehen; Anforderungen, die die Chemie nicht-lebender Systeme in keiner Wiese erfüllen kann. Dieses chemische Ungleichgewicht wird durch spezielle makromolekulare Maschinen ermöglicht, wie die ATP-Synthase. Hier besteht das Problem bei typischen Ursuppen-Experimenten: sie sind in einem chemischen Gleichgewicht. Es reicht nicht aus, Chemikalien in eine Lösung und Energie von außen zu geben und es entsteht etwas wie Leben. Denn irgendwann entsteht ein thermodynamisches Gleichgewicht und nichts reagiert miteinander. Wenn also die Ursuppenexperimente zwar die Entstehung von Biomolekülen, nicht aber die Entstehung des Lebens erklären können und das Leben eine komplexere Chemie hat, bedeutet das, dass hinter der Entstehung des Lebens doch eine höhere Macht tätig war? Keineswegs. Der Motor für die Entstehung des Lebens stammt nicht aus der Ursuppe und auch nicht aus dem Weltraum, sondern aus den Tiefen der Erde.

Heiße Tiefseequellen am Meeresgrund oder gar in der Erdkruste sind geeignete Kandidaten, dieses chemische Ungleichgewicht, was sich Leben nennt, zu bewerkstelligen. Es gibt mehrere Typen von hydrothermalen Tiefseequellen, die bekanntesten sind die schwarzen und weißen Raucher.

Schwarze Raucher finden sich meist nahe der Spreizzone tektonischer Platten und erreichen Temperaturen von über 300 Grad Celsius und je nach Wassertiefe bis zu 300 bar Wasserdruck. Der pH-Wert ist sauer und es dominieren Eisen-Schwefel-Verbindungen. Die weißen Raucher sind quasi das Gegenstück der schwarzen Raucher: mit 90 Grad Celsius deutlich kühler als die Schwarzen Raucher, haben sie zudem einen höheren, basischen pH-Wert und enthalten vorwiegend Kalziumkarbonate. Außerdem enthalten sie wesentlich mehr Wasserstoff, den Elektronen- und Energielieferanten von LUCAs Stoffwechsel. Der Grund hierfür ist eine Reaktion zwischen dem Meerwasser und dem eisenhaltigen Erdkrustengestein Olivin. Dabei entsteht ein grün gefärbtes, häufig mit schlangenartigen Mustern versehenes Mineral namens Serpentinit; den Umwandlungsprozess nennt man Serpentinisierung. CO2, LUCAs Kohlenstoffquelle war auf der frühen Erde im Überfluss enthalten. Zwischen den Ozeanen und der Gesteinskruste der Urerde gab intensive Reaktionen. Neben Wasserstoff entstanden hier auch Stickstoff und Phosphorverbindungen, die für das Leben so wichtig sind. Wasserstoff und CO2, von denen sich LUCA ernährte, reagieren aber nicht so einfach miteinander. Sie tun das technisch nur unter sehr hohen Druckverhältnissen und hoher Temperatur. Lebewesen, die auf diese Form des Stoffwechsels setzen, brauchen Katalysatoren, um diese Reaktionswege zu erleichtern. In heutigen Zellen übernehmen spezielle Enzyme diese Aufgaben, die wohl aber bei LUCA noch nicht vorhanden waren. Aber viele dieser Enzyme enthalten in ihrem aktiven Zentrum Übergangsmetalle, wie Eisen, Nickel und Kobalt. Dabei setzen sie sich oft zu Cluster-Verbindungen mit Schwefel zusammen. Diese Übergangsmetalle befinden sich im aktiven Zentrum der Enzyme und ermöglichen so eine beschleunigte Reaktion. Solche Übergangsmetalle fanden sich auf der präbiotischen Erde in größeren Mengen. Die Minerale erledigen also die gleichen Aufgaben wie die Enzyme und es ist kein Zufall, dass sich in den Enzymen heutiger Lebewesen, genauso diese Verbindungen wiederfinden.

Laboruntersuchungen unter solchen präbiotischen Bedingungen haben gezeigt, dass bestimmte einfache Stoffwechselprozesse unter alkalischen pH-Bedingungen, 80 Grad Celsius Wassertemperatur, der Anwesenheit von CO2 und Wasserstoffgas, sowie den erwähnten Mineralclustern, die Reaktionen von selbst laufen und zudem Energie freisetzen, die weitere Reaktionen ermöglichen. Das ist deshalb aufregend, weil der sonst so komplizierte Stoffwechsel auf einmal eine natürliche Tendenz offenbart, sich unter den richtigen Bedingungen von alleine zu entfalten. Der Urstoffwechsel selbst könnte demnach als interne Energiequelle für die ersten Anfänge des Lebens gedient haben. Es konnte gezeigt werden, dass die Energie am Ursprung des Lebens rein chemischer Natur ist. Unter diesen Bedingungen sind auch keine Membranproteine oder Enzyme notwendig. Und diese Bedingungen finden wir bei den Weißen Rauchern.

Aber damit sich solche Reaktionen anreichern können, bedarf es auch der Kompartimentierung. Und hier sind die weißen Raucher ebenfalls geeignete Kandidaten. Denn in diesen Rauchern finden sich kleine, kammerartige Hohlräume, die in etwa die Größe durchschnittlicher Zellen haben.

Die dort herrschenden Temperaturbedingungen und das Vorhandensein aller nötigen chemischen Komponenten (und deren permanenter Nachschub aus der Erdkruste) auf engem Raum ermöglichen, dass sich die Verbindungen dort bilden und aufkonzentrieren können. Die Mineralwände der hydrothermalen Poren, reich an Eisen, ermöglichen eine Aufspaltung des Wasserstoffgases (H2) in Protonen, indem ihnen die Elektronen entzogen werden. So könnten organische Kohlenwasserstoffe entstanden sein, die sich in den kleinen Hohlräumen leicht anreichern konnten. Durch verschiedene chemische Reaktionen können sich beispielsweise Methan, Acetat, Pyruvat und sogar bestimmte Aminosäuren und Nukleinsäuren gebildet haben. Außerdem existiert bei heute lebenden Mikroorganismen ein sehr sauerstoffempfindlicher – und damit wahrscheinlich sehr alter – Stoffwechselweg, der gut zu diesen Prozessen passen würde. Diesen als Acetyl-CoA-Weg bekannte Stoffwechselweg nutzen wie erwähnt die Methanogenen und Acetogenen. Das in diesem Stoffwechsel notwendige Acetyl-CoenzymA hat auch eine Rolle in anderen Stoffwechselprozessen und sein präbiotischer Vorläufer, Methylthioacetat, lässt sich unter präbiotischen Bedingungen synthetisieren und erfüllt ähnliche Funktionen wie das Enzym Aceltyl-CoA. Aber in diesem Zustand war LUCA immer noch in den Gesteinen gefangen. Er musste befreit werden und hierfür war die Zellmembran von Bedeutung.

Der Abschnitt „Stoffwechsel zuerst“ ist eine Zusammenfassung der Teile 8, 9 und 11

Teil 8 befasst sich mit der Problematik der Ursuppenexperimente und stellt das Leben als ein System des Fließgleichgewichtes dar und gibt einen Überblick über die Schwarzen und Weißen Raucher der Tiefsee, ihrer chemischen Reaktionen und als potentielle Orte der Entstehung des Lebens:

Entstehung des Lebens Teil 8: Entstand das Leben in der Tiefsee?: https://internet-evoluzzer.de/entstand-das-leben-in-der-tiefsee/

Teil 9 hebt die Rolle der Stoffwechselprozesse vor, sowie den möglichen Stoffwechselprozessen, wie die Reaktion von CO2 mit H2, in den Hydrothermalquellen der weißen Raucher.

Die Entstehung des Lebens  Kapitel 9: Die Bedeutung und Ursprünge des Stoffwechsels https://internet-evoluzzer.de/die-bedeutung-und-urspruenge-des-stoffwechsels/

Teil 11 rekonstruiert wie LUCA entstanden sein könnte, welche Stoffwelchselprozesse spontan ablaufen können und stellt den reduktiven Acetyl-CO1-Weg als eine frühe Form der CO2-Fixierung, welche von Acetogenen und Methanogenen durchgeführt wird, vor.

Entstehung des Lebens Kapitel 11: Der steinige Weg zu LUCA https://internet-evoluzzer.de/der-steinige-weg-zu-luca/

Entstehung der Zellmembranen

Die benötigte Energie für diesen präbiotischen Stoffwechsel könnte aus dem pH-Gradienten zwischen der Quelle und dem umgebenden Meerwasser stammen: Jeder Gradient strebt dazu, sich auszugleichen, dabei wird Energie frei, die genutzt werden kann. Die eine Seite der Zelle ist dem sauren Meerwasser ausgesetzt (ph 5-7), die andere dem konstanten Strom alkaliner hydrothermaler Flüssigkeit (ph 9-11). Das ergibt einen Unterschied in der Protonenkonzentration zwischen der Innen- und der Außenseite, sodass Protonen dem Gradienten folgend nach innen strömen. Noch heute verwenden auch Organismen pH-Wert-Gradienten über Zellmembranen zur Energiegewinnung.

Alle Zellen haben eine Zellmembran, die aus Lipiden zusammengesetzt sind. In ihrer Funktion ist die Zellmembran semipermeabel, d. h., dass einige Moleküle, z. B. Wasser und CO2, durch die Membran diffundieren können, andere wiederrum nicht, so z. b. Ionen, Salze, größere Proteine etc. Da Wasserstoff-Ionen, also Protonen, positiv geladene Ionen sind, können sie nicht durch die Zellmembran diffundieren. So kommt es zwischen der Außen- und Innenseite der Membran zu einer unterschiedlichen Konzentration der Protonen und damit auch zu unterschiedlichen pH-Werten. Diese Protonengradienten werden für die Bildung von Energie in Form des ATP ausgenutzt, man spricht von Chemiosmose. Dabei fließen die Protonen durch ein spezielles Protein, die ATP-Synthase, welche in der Zellmembran verankert ist. Der Protonenstrom treibt die ATP-Synthase an, die daraus frei gewordene Energie wird als ATP gespeichert.

Für die Gesteinsporen der Hydrothermalquellen würde aber eine solche semipermeable Membran, wie sie in heutigen Zellen vorkommen, den Protonenstrom verhindern, weil sie für Protonen undurchlässig wäre. Um einen Protonengradienten für die Energieumwandlung nutzen zu können musste die präbiotische Zellmembran in den Gesteinsporen für Protonen durchlässig sein. Wie kann aber aus diesem Zustand eine semipermeable Membran entstehen? Denn nur mit einer semipermeablen Membran wäre LUCA in der Lage gewesen, die Gesteinsporen zu verlassen und als freie Zelle leben. Untersuchungen zeigen aber, dass unter diesen hydrothermalen, präbiotischen Bedingungen eine semipermeable Membran keinen Selektionsvorteil bieten würde, da sie nicht mehr ATP erzeugen würde und schlimmer noch, der Protonenstrom zu versiegen drohen würde. Kein Selektionsdruck, keine Notwendigkeit der Veränderung. Wie lässt sich das Dilemma lösen? Die Lösung kann in der Evolution weiterer Membranproteine, den Antiportern, die sich ebenfalls in unseren Zellmembranen befinden, liegen.

Bei einem Antiporter wird eine Substanz passiv mit dem Konzentrationsgefälle durch die Membran transportiert. Die bei dieser Diffusion freigesetzte Energie wird nun genutzt, um eine andere Substanz gegen ihren Konzentrationsgradienten in umgekehrter Richtung durch die Membran zu transportieren. ATP wird dafür nicht benötigt. Ein Beispiel für solch einen Antiporter ist der Natrium-Wasserstoff-Antiporter. Er transportiert für gewöhnlich Natrium ins Zellinnere und Protonen nach außen. Doch Antiporter unterscheiden nicht sehr genau, ihnen ist es egal, in welche Richtung sie arbeiten, sie können also auch rückwärts arbeiten. Hinzu kommt, dass viele Membranproteine, auch die ATP-Synthasen, nicht immer zwischen Protonen und Natriumionen unterscheiden können. Für jedes Proton, das in die Zelle gelangt, wird dann ein Natriumion hinausbefördert. Natriumionen sind zudem schwerer durchlässig als Protonen. Wird also ein Proton hinausgepumpt, kommt es sofort wieder zurück. Wird aber ein Natriumion durch dieselbe Membran gepumpt, kehrt es nicht annähernd so schnell wieder zurück. Es sollte durch Membranproteine wieder in die Zelle gelangen. Und das fördert die Koppelung des Natrium-Einstroms an zu leistende Arbeit. Diese Eigenschaft ist entscheidend für die Ausbildung einer semipermeablen Membran bei LUCA. Es entstehen im Grunde genommen neben dem eigentlichen Protonengradient ein zusätzlicher Natriumgradient. Es stehen also mehr Ionen als Antrieb für den Kohlenstoff- und Energiestoffwechsel zur Verfügung, und der Ertrag pro ausgepumptem Ion ist größer. Nutzt man einen zusätzlichen Ionengradienten, ist es für die Urzellen auch möglich gewesen in Umgebungen zu leben, wo der pH-Unterschied zwischen innen und außen geringer war. So konnten sie größere Bereiche des Schlotes oder angrenzende Flächen besiedeln. Wenn aber Natriumionen eher durch Membranproteine ins Zellinnere gelangen als durch die Lipidmembran, treibt dies die Entwicklung dichterer Membranen voran, sie wird also zunehmend semipermeabel. Dieses Natriumpumpen erklärt übrigens auch, warum das Zellinnere einen geringeren Natriumgehalt hat als das sie umgebende Meerwasser, in dem sich das erste Leben entwickelt hatte.

So konnten sich auch die verschiedenen Domänen der Bakterien und Archaeen bilden: entweder als zunehmend isolierte Populationen im Gestein oder nachdem sie sich vom Gestein befreiten.

In Episode 13 widme ich mich dem Aufbau und der Evolution der ATP-Synthase, von der es im Reich des Lebendigen verschiedene Typen gibt. Die F-ATP-Synthase nutzt dabei den Protonengradienten zur Gewinnung von ATP, die V-ATP-Synthase ist hingegen eine Protonenpumpe, welches mittels ATP-Verbrauch einen Protonengradienten erzeugt. Die A-ATP-Synthase ähnelt strukturell der V-ATP-Synthase und kommt in Archaeen vor. Alle ATP-Synthasen sind komplexe Moleküle, die aus mehreren Untereinheiten bestehen, die sich grob in zwei Komplexe teilen lassen: einen in die Zellmembran eingebetteten Komplex, der Protonen transportiert und einen wasserlöslichen Kopfteil außerhalb der Membran, der beim F-Typ ATP synthetisiert. Verbunden sind beide Teile mit einem Rotor der den Kopf mit dem Membrankomplex verbindet. Betrachtet man die einzelnen Untereinheiten, so finden sich einige Homologien zwischen dem F-Typ und dem V/A-Typ, so bei dem in der Membran eingebetteten Komplex und der Kopfstruktur. Interessanterweise zeigt aber die Untereinheiten, die Kopf mit Membranregion verbinden, keine Homologien, sie sind konvergent entstanden. So ist z. B. die Kopfstruktur homolog zu RNA-Helikasen, die die Struktur von Nukleinsäuren verändern, die ebenfalls eine ähnliche Rotationsbewegung aufweisen. Die in der Zellmembran eingebundenen Komplexe weisen Ähnlichkeiten mit typischen Membrantransporter auf. Eine Kombination der RNA-Helikase mit einem Membrantransporter ist homolog zu bestimmten RNA-Translokasen und durch das Hinzufügen weiterer Elemente entstehen Proteintranslokasen, die ein Zwischenglied zur Entstehung einer ATP-Synthase sein kann. Zwar ist dieses Szenario hypothetisch, aber gleichwohl plausibel und von Sequenzdaten recht gut untermauert. Aus solch einer Proteintranslokase lassen sich übrigens zudem andere Strukturen der bakteriellen Zellmembran ableiten, so die T3SS-Translokase (Typ-3-Sekretionssystem).  Eine weitere Besonderheit ist, dass der Vorfahre der F- und V/A-ATPasen eine Bindestelle für Natrium-Ionen hatte, was mit dem vorher erwähnten in Einklang steht. Als die Zellmembran bei LUCA noch durchlässig für Protonen, aber nicht für Natriumionen war, konnte ein Natriumgradient genutzt worden sein, um zusätzlich ATP zu synthetisieren.

Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung der Teile 12 und 13.

Teil 12 befasst sich mit der Evolution der Zellmembran, des Protonenpumpens und wie durch die Evolution der Antiporter die Zellmembran semipermeabel wurde und LUCA sich so vom Gestein befreien konnte. Es werden auch die Unterschiede der CO2-Fixierung bei Archaeen und Bakterien besprochen, sowie ihre Unterschiede im Aufbau der Zellwand und anderen Merkmalen.

Entstehung des Lebens Teil 12: Wie entstand die erste Zelle? https://internet-evoluzzer.de/wie-entstand-die-erste-zelle/

Teil 13 widmet sich ausschließlich der Evolution der ATP-Synthase:

Entstehung des Lebens Teil 13: Evolution der ATP-Synthase: https://internet-evoluzzer.de/atpsynthase_evolution/

Von der RNA zur DNA

Stoffwechsel, Chemiosmose und die Speicherung der Energie in Form des ATP sind essentielle Voraussetzungen für die Entstehung des Lebens. Die chemisch-physikalischen Bedingungen der Urerde ermöglichten spontane Stoffwechselreaktionen. Komplexere Stoffwechselwege konnten aber erst mit größeren Proteineinheiten entstanden sein. Für solche Proteine braucht es aber den genetischen Code, welche die Informationen für den Aufbau der Proteine speichert. Dafür braucht es die Nukleinsäuren: RNA und DNA. Die Problematik zeigt sich hier vor allem darin, dass für die Synthese von Proteinen Nukleinsäuren gebraucht werden. Andersrum kann ein solches Speichermedium wie die DNA sich ohne Proteine weder kopieren, noch diese herstellen. Die RNA hat, im Vergleich zur DNA, jedoch einige besondere Eigenschaften, denn einige RNAs sind katalytisch, können sich also selbst replizieren; man spricht von Ribozymen. Da die RNA sowohl die Fähigkeit zur Informationsspeicherung und -übertragung als auch die Fähigkeit zur biologischen Arbeit besitzt, gehen Forscher heute davon aus, dass sie bei der Entstehung des Lebens sowohl den Proteinen als auch der DNA vorausgegangen ist, man spricht von der RNA-Welt. Die katalytischen Eigenschaften der RNA und ihre Wechselwirkungen mit Proteinen werden intensiv untersucht und mittlerweile sind dutzende von Ribozymen bekannt. Eine der bedeutendsten findet sich in den Ribosomen, jene Bereiche in der Zelle, in der die Proteinsynthese stattfindet. Die dortige rRNA führt die katalytischen Schritte der Proteinsynthese durch und ist im Reich des Lebens allgegenwärtig. Es gibt experimentelle Ansätze, bei der RNA-Moleküle sich tatsächlich selbst replizieren. Gibt man RNA mit den nötigen Rohmaterialien und ATP, wird sie sich replizieren, wie die Arbeiten von Sol Spiegelmann in den 1960ern zeigten. In anderen Experimenten wurden Ribozyme verwendet, die RNA synthetisieren können. Dabei replizierten sich in solchen Reagenzglas-Evolutionsexperimenten die verschiedenen RNAs unterschiedlich schnell oder synthetisierten unterschiedlich lange RNAs. Es setzen sich jene durch, die sich schneller replizierten und/oder längere Ketten synthetisierten. Andere Arbeitsgruppen waren in der Lage auch RNAs innerhalb von Fettsäurevesikeln zu vervielfältigen. Fettsäurevesikel sind insofern interessant, weil sie die semipermeablen Eigenschaften der Zellmembran haben und somit auch wichtige Reaktionsräume darstellen. Solche Fettsäurevesikel sind zwar nicht sehr stabil, aber Ribozyme ermöglichen eine kontrollierte Synthese von Lipidmembranen und können so zu ihrer Stabilität beitragen. Eine Symbiose zwischen Ribozym und Fettsäurevesikeln setzt so einen Evolutionsprozess in Gang, bei dem sich nur die stabileren Varianten durchsetzen und vermehren. Elektrostatische Wechselwirkungen von kurzen Peptiden, die die Membran durchqueren können, sowie das Vorhandensein von Magnesium-Ionen, können zudem die RNA-Bindung an Fettsäuren antreiben und für weitere Stabilisierungen sorgen.

Die RNA ist seit langem einer der Spitzenreiter bei der Suche nach den ersten Replikationssystem. Sie ist heute in der gesamten Biosphäre allgegenwärtig, könnte durch nicht-biologische Prozesse bereits auf der Urerde vorhanden gewesen sein, kann eine große Menge an Informationen speichern und fungiert als dynamische physikalische Einheit. Solche RNA-Moleküle sind jedoch vergleichsweise instabil und für einen längeren Zeitraum, sowie für komplexere Genome, ist ein anderes Speichermedium wichtig: die DNA. Die DNA unterscheidet sich von der RNA nur geringfügig. RNA enthält den Zucker Ribose, wird diesem eine OH-Gruppe entfernt, entsteht die Desoxyribose, dem Zucker der DNA. Wird der RNA-Base Uracil eine CH3-Gruppe hinzugefügt, entsteht Thymin, die in der DNA statt des Uracils vorkommt. Diese beiden Umwandlungsprozesse finden auch in heute lebenden Organismen statt und sind chemisch nichts Außergewöhnliches. Aber diese beiden kleinen Änderungen führen dazu, dass die DNA wesentlich stabiler, langlebiger und zu längeren Ketten polymerisieren kann als die RNA, weswegen die DNA zum allgemeinen Speichermedium des Lebens wurde.

In en Hydrothermalschloten können sich große Mengen an Nukleotiden ansammeln – aus denselben Gründen, die wir vorhin bei der Entstehung der ersten Stoffwechselvorgänge angesprochen haben: Temperaturgradienten, pH-Gradienten, Durchlässigkeit der Membranen, Mineralwände, die Porengröße und der permanente Nachschub an Rohmaterialien. Was noch besser ist: die Temperaturschwankungen treiben die RNA-Replikation ebenso an wie die bewährte Labormethode PCR. Längere RNA- oder DNA-Moleküle häufen sich theoretisch stärker an als einzelne Nukleotide.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass einige nicht-lebende Systeme, wie einige Viren, ein RNA-Genom haben. Einige, wie die Retroviren, können ihr Genom von RNA in DNA umschreiben, was für den Übergang von RNA-basierten Genomen hin zu DNA-basierten interessant ist. Denn wahrscheinlich hatten die mineralischen Zellen einen Lebenszyklus, der dem der Retroviren ähnlich ist.

Wenn Retroviren eine Zelle befallen, kopieren sie ihre RNA in DNA, wobei sie ein Enzym namens Reverse Transkriptase benutzen. Die neue DNA wird zunächst im Genom des Wirtes eingepflanzt und dann zusammen mit den eigenen Genen der Wirtszellen eingelesen. Was Retroviren bemerkenswerterweise fehlt ist die Fähigkeit DNA selbst zu replizieren, was üblicherweise eine ziemlich mühselige Prozedur darstellt, für die zahlreiche Enzyme notwendig sind. Der Vorteil eines solchen Lebenszyklus ist die schnelle Vermehrung: das Genom ist einfach und kurz und damit die Vermehrung schneller. Der Nachteil ist aber, dass man auf die Existenz von echten Zellen angewiesen ist und die Speicherkapazität der RNA gering ist.

Mineralische Zellen bilden jedoch einen Vorteil für die Entstehung komplexerer RNA-Lebensformen: viele der Eigenschaften, die für ein unabhängiges Leben benötigt werden, ist in den Schloten vorhanden: die Mineralzellen stellen begrenzende Membranen, Energie usw. bereit. Der zweite Vorteil ist, dass sich RNA-Schwärme fortlaufend mischen und durch die miteinander in Verbindung stehenden Zellen passen. Gruppen, die gut miteinander kooperieren, können sich zusammenfinden, indem sie sich gemeinsam ausbreiten, um neu gebildete Zellen zu besiedeln. So können Populationen kooperativer RNAs entstehen, die mineralischen Zellen entsprangen, wobei jede RNA eine Handvoll verwandter Gene codierte. Der Nachteil einer solchen Vermischung ist jedoch, dass die RNA-Populationen anfällig dafür wären, sich erneut in andere, möglicherweise ungeeignete Verbindungen zu mischen. Eine Zelle, die es schaffen würde, ihr Genom zusammenzuhalten, indem sie eine kleine Gruppe kooperativer RNAs in ein einzelnes DNA-Molekül konvertiert, würde all diese Vorteile behalten. Ihre Replikation würde dann der eines Retrovirus ähneln: Ihre RNA würde in einen RNA-Schwarm überschrieben werden, der benachbarte Zellen infiziert und ihnen dieselbe Fähigkeit verleiht, nämlich die Informationen wieder in einer DNA-Bank abzulegen.

Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung der Teile 14 und 15 und stellt die RNA-Welt vor und wie der Übergang der Speicherung der genetischen Information auf die DNA abgelaufen sein kann.

Teil 14 befasst sich mit der RNA-Welt:

Entstehung des Lebens Teil 14: Die RNA-Welt: https://internet-evoluzzer.de/die-rna-welt/

Teil 15 mit der Entstehung der DNA als Informationsspeicher

Entstehung des Lebens Teil 15: Von der RNA-Welt zur DNA-Welt: https://internet-evoluzzer.de/von-der-rna-welt-zur-dna-welt/

Genetischer Code

Damit aber Gene abgelesen werden können, muss die Evolution des genetischen Codes berücksichtigt werden. Die Information für eine Proteinsequenz ist bei heute lebenden Organismen in der DNA gespeichert. Diese wird von der mRNA abgelesen, die zu den Ribosomen wandert und dort von den tRNAs, die eine Aminosäure im Schlepptau haben und sich an die komplementären Basen der mRNA anlagern. Jede Aminosäure wird durch drei Basen der mRNA verschlüsselt. Für die 20 Aminosäuren stehen 64 Code-Schlüssel zur Verfügung; d. h. der genetische Code ist degeneriert, weilt mehrere Aminosäuren durch verschiedene Codes codiert werden. wie konnte dieser Code entstehen? Betrachten wir uns die Verteilung der Aminosäuren in unseren Proteinen, so sind diese mit unterschiedlicher Häufigkeit repräsentiert. Durchschnittlich am häufigsten sind die Aminosäuren Glycin und Alanin mit jeweils 8-9% vertreten, gefolgt von Leucin (7-8%), Serin (7%), Valin (7%), Glutaminsäure (6-7%) und Asparaginsäure (5-6%). Die Hälfte aller Aminosäuren in unseren Proteinen entfällt also auf diese sieben. Das sind auch jene Aminosäuren, die unter präbiotischen Bedingungen am einfachsten und häufigsten synthetisiert werden. Etwa die Hälfte der Codons fallen auch auf diese sieben Aminosäuren. Weiterhin besteht auch ein biochemischer Zusammenhang: Der erste Buchstabe des Codes bestimmt die Ausgangsstoffe, aus denen die Aminosäure synthetisiert wird, ist z. B. der erste Buchstabe ein U wird die Aminosäure aus Pyruvat synthetisiert; ist der erste Buchstabe ein anderer, gehen die Aminosäuren aus anderen Ausgangsstoffen hervor. Der zweite Buchstabe definiert bestimmte Eigenschaften der Aminosäuren, z. B., ob die Aminosäure hydrophob oder hydrophil ist. Der letzte Buchstabe ist der Ort der Degeneration: hier ist es egal, welche Base dort sitzt, da alle vier Möglichkeiten dieselbe Aminosäure codieren. Diese Art der Blockzuordnung, sowie die Variabilität der dritten Base legen nahe, dass dem heutigen Triplettcode ein Doppelcode vorausging, der für 15 Aminosäuren plus einem Stoppcodon codieren konnte. Es könnte daher sein, dass der ursprüngliche Code ein Doppelcode war und später einfach durch „Codon-Einfang“ zu einem Triplett-Code erweitert wurde, bei dem die Aminosäuren um den dritten Platz codieren und die frühen Codons sich die meisten Triplettcodons – genauer gesagt 53 der 64 möglichen.

Der Code müsste aber keinesfalls mit den 15 Aminosäuren begonnen haben; es reichen zu Beginn auch zwei, nämlich die zwei häufigsten Aminosuren Glycin und Alanin. Weil in der präbiotischen Erde ein Überhang an Alanin und Glycin vorherrschte, sind wohl hauptsächlich Peptide entstanden, die diese Aminosäuren hatten. Die meisten von ihnen übten keine Funktion aus, aber einige hatten die Eigenschaft, tRNAs mit Aminosäuren zu verbinden, wobei das zunächst völlig wahllos geschah. Die derart beladenen tRNAs lagerten sich in den Gesteinsporen an und lieferten die Vorlage als Anticodons für andere RNAs, sodass ein komplementärer RNA-Strang entstehen konnte. Zugleich verknüpften sich auf der anderen Seite der tRNA die daran gebundenen Aminosäuren zu Peptiden. Auf diese Weise bildeten sich zahllose Peptide und damit korrespondierende RNA-Stränge, die aber wieder verschwanden, weil es keine Mechanismen gab, der für die Vervielfältigung sorgte. Die Situation könnte sich geändert haben, als Peptidvarianten auftauchten, die Aminosäuren ganz spezifisch nur auf dazu passende tRNAs luden. Für eine solche enzymatische Aktivität mussten diese Peptide wohl mindestens zwei verschiedene Aminosäuren enthalten – z. B. Alanin und Glycin. Um die Peptide dieser Art anhand der Bauanleitung eines RNA-Strangs und mithilfe von tRNAs nachzuproduzieren, brauchte es zwei spezifische tRNAs, je eine für Alanin und Glycin. In dem Moment, in dem die Aminosäuresequenz dieser beiden Peptide in einem RNA-Strang festgehalten war, könnte ein sich selbst replizierender Apparat entstanden sein. Der RNA-Strang lieferte die Bauanleitung für die beiden Peptide, die ihrerseits tRNAs mit Glycin bzw. Alanin beluden und auf diese Weise zwei Sorten von Bausteinen erzeugten, mit deren Hilfe wiederum entlang eines RNA-Strangs die Peptide hergestellt wurden. Wurde darüber hinaus noch der RNA-Strang kopiert, vervielfältigte sich der Apparat und konnte somit überdauern. Taucht ein drittes Peptid samt zugehörigem RNA-Strang auf, konnte der Code erweitert werden usw.

Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung des teil 16, welches die Evolution des genetischen Codes beschreibt.

Entstehung des Lebens Teil 16: der genetische Code https://internet-evoluzzer.de/entstehung-des-lebens-teil-16-der-genetische-code/

Eine weitere Arbeit, die hier erwähnt wird, welche in Teil 16 nicht beachtet wurde ist:

Danger G, Plasson R, Pascal R (2012) Pathways for the formation and evolution of peptides in prebiotic environments. Chem Soc Rev 41:5416–5429

Polymerasen und Ribosomen

Wie phylogenetische Analysen zeigen, ist die Proteinsynthese schon bei LUCA vorhanden gewesen und es zeigen sich Homologien in allen drei Domänen des Lebens. Ein für die Proteinsynthese wichtiges Enzym ist die RNA-Polymerase, die RNA-Stränge synthetisieren. Je nachdem ob die RNA-Polymerase eine RNA oder DNA als Vorlage für die Synthese nutzt, spricht man von RNA-abhängigen oder DNA-abhängigen RNA-Polymerasen. RNA-abhängige RNA-Polymerasen, auch RNA-Replikasen genannt, finden sich bei RNA-Viren, aber auch bei Eukaryoten. Bei Letzteren synthetisieren sie doppelstränge RNA, die im Rahmen der RNA-Inferferenz eine Rolle bei der Genregulation spielen. RNA-Replikasen sind, ausgehend von phylogenetischen Analysen, die evolutionär ursprünglichsten und ihr Vorhandensein in Viren legt nahe, dass diese Viren ebenfalls evolutionär sehr alt sind. Der Ursprung der RNA-Replikasen kann auf tRNAs zurückverfolgt werden und sie dürften schon in der RNA-Welt entstanden sein. Mit der Evolution der DNA als universelles Speichermediums der drei Domänen des Lebens entwickelten sich aus diesen die DNA-abhängigen RNA-Polymerasen. Durch Duplikationen und Diversifizierungen der einzelnen Proteinuntereinheiten konnten sich verschiedene DNA-abhängige RNA-Polymerasen entwickeln, die die evolutionäre Divergenz der drei Domänen des Lebens bestätigen. Dabei sind die eukaryotischen DNA-abhängigen RNA-Polymerasen am nächsten mit jenen einiger Archaeengruppen, den Crenarchaea, verwandt. Im Rahmen der Entstehung der Eukaryoten durch die Endosymbiose hat eine evolutionäre Linie der Crenarachea Bakterien als Endosymbionten in ihre Zelle phagozytiert aus denen sich dann die Mitochondrien bildeten. Eine engere Verwandtschaft der RNA-Polymerasen mit jener der Archaeen ist damit plausibel.

Anders als die Proteinsynthese, entstand die Vermehrung der DNA, die Replikation, bei Bakterien und Archaeen unabhängig voneinander. Für die Vermehrung und Reparatur der DNA werden DNA-Polymerasen genutzt. Auch hier gibt es innerhalb wie auch zwischen den Domänen verschiedene Familien, die als A, B, C, D, X, Y und RT zusammengefasst werden. die verschiedenen Domänen nutzen jeweils verschiedene Familien der DNA-Polymerasen für die Replikation oder Reparatur der DNA, was für eine unabhängige Evolution der DNA-Vermehrung und Reparatur spricht. Spannend ist aber die Familie D; sie kommt nur bei einigen Archaeen vor und ihre Struktur ist für die Evolution der DNA-Polymerasen von Bedeutung. Details im Aufbau der Untereinheiten zeigen Homologien zu anderen DNA-Polymerasen der anderen Familien auf und dürften die Vorfahren der verschiedenen Polymerasen sein. Hinzu kommt, dass die DNA-Polymerase der Familie D Sequenzähnlichkeiten mit RNA-Polymerasen aufweist, aus denen sie hervorgegangen sein dürfte.

Das heißt es bildete sich bei LUCA eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, die der Vorläufer sowohl der DNA-abhängigen RNA-Polymerasen und DNA-Polymerasen ist, welche sich dann durch Duplikation und anschließender Diversifizierung zu den verschiedenen Enzymen entwickelten.

Auch die Ribosomen sind phylogenetisch sehr alte Proteine und dürften sich schon bei LUCA entwickelt haben. Dort findet die Proteinsynthese statt, also das Andocken der mit Aminosäuren beladenen tRNAs mit der mRNA. Grundsätzlich besteht ein Ribosom aus einer kleinen und einer großen Proteinuntereinheit, die jeweils eine eigene RNA, die rRNA, besitzen. Bei Bakterien und Archaeen auf der einen Seite, sowie bei den Eukaryoten unterscheiden sich die Ribosomen u. a. in ihrer Größe und Anzahl der Proteine; allgemein sind jene der Eukaryoten Proteinreicher. Die rRNA, insbesondere die der kleinen Untereinheit, ist hochgradig konserviert und wird zur Erstellung von phylogenetischen Stammbäumen erstellt. Anhand dieser Analysen wurde der universelle Stammbaum des Lebens und die Einteilung in drei Domänen – Bakterien, Archaeen und Eukaryoten – unterstützt. Die Proteine der Ribosomen sind nicht direkt an der Katalyse der Peptidbindung während der Proteinsynthese beteiligt. Diese Aufgabe erfüllt alleine die rRNA. Das bedeutet, dass die rRNA ursprünglich für die Proteinsynthese zuständig war und sich erst später die Proteine als Gerüst entwickelt haben, die die Fähigkeit der rRNA zur Proteinsynthese verbesserten. Dieser Umstand erklärt auch die unterschiedlichen Proteineinheiten bei Eukaryoten und Bakterien. Studien legen nahe, dass präbiotische Ribosomen, die ausschließlich aus rRNA bestehen, die Fähigkeit zur Synthese von Peptidbindungen entwickelt haben könnten und die rRNA in einer RNA-Welt als selbstreplizierender Komplex entstanden sein könnte. Wechselwirkungen der katalytischen RNA mit Aminosäuren könnten die Effizienz und Funktionalität der rRNA begünstigt haben und als treibende Kraft für die Evolution einer Translationsmaschinerie gedient haben.

Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung diverser Unterkapitel, die in den Teilen 10, 15 und 16 behandelt werden.

Die Evolution der RNA-Polymerasen, sowie der Ribosomen wird im Kapitel zum genetischen Code behandelt.

Entstehung des Lebens Teil 16: der genetische Code https://internet-evoluzzer.de/entstehung-des-lebens-teil-16-der-genetische-code/

Die Bedeutung der rRNA für die Erstellung der Phylogenie der drei Domänen (Bacteria, Archaea und Eukarya) wird in Kapitel 10 erörtert:

Entstehung des Lebens Kapitel 10: Last Universal Common Ancestor (LUCA): https://internet-evoluzzer.de/last-universal-common-ancestor-luca/

Die Evolution der DNA-Polymerasen wird in Kapitel 15, bei der Entstehung der DNA behandelt.  

Entstehung des Lebens Teil 15: Von der RNA-Welt zur DNA-Welt: https://internet-evoluzzer.de/von-der-rna-welt-zur-dna-welt/

Wahrscheinlichkeit

Gerne wird angenommen, dass das Leben so komplex sei und es daher sehr unwahrscheinlich sei, dass das Leben ohne übernatürliche Kräfte entstanden sein könne. Dabei geht man aber von falschen Wahrscheinlichkeitsannahmen aus. Solche kreationistischen Annahmen gehen von einem einzigen großen Sprung aus. Einfache Moleküle und tadaa schon hat man ein funktionales modernes Protein oder gar eine Zelle. Die Abiogenese umfasst aber eine Reihe von kleinen Schritten, die das Problem der Unwahrscheinlichkeit in viele kleine Teile zerlegt: die Bildung von Monomeren, dann Bildung von Polymeren, Bildung von Replikatoren, autokatalytischen Zyklen etc. Das erste leben war also keine komplexe Zelle, sondern z. B. ein einzelnes selbstreplizierendes Molekül oder eine Gruppe von selbstreplizierenden Gruppen von Katalysatoren, die sich in gegenseitiger Wechselwirkung aus einer Substratlösung hervorbringen und „vermehren“. Dabei koppeln sich entweder zwei oder mehrere selbstreproduzierende RNA-Stränge (Ribozyme) oder aber Ribozyme und Enzyme zu einem stabilen Autozyklus, der sich selbst unterhält und repliziert, etwas, was wir als Hyperzyklus bezeichnen. Der Zeitpunkt, zu dem ein solches System als Leben bezeichnet werden könnte, wäre in der Tat äußerst schwierig und etwas willkürlich zu definieren. Es gibt ein Gefälle, das so genannte physikalisch-chemische Kontinuum, das chemische Systeme und lebende Organismen miteinander verbindet, und die Grenze zwischen beiden ist unscharf. Leben und Nichtleben sind kein binäres System wie Kopf und Zahl einer Münze.

Natürlich hat die Abiogenese-Forschung noch viele Fragen offen. Zu der von mir favorisierten Welt der Hydrothermalschlote gibt es auch andere Hypothesen. Viele experimentelle Ansätze liefern nur Antworten auf einzelne Details und lassen vielleicht weitere neue Fragen entstehen. Andere Aussagen haben vorerst nur rein hypothetischen Charakter und wieder andere haben sich als Fehlschluss herausgestellt. Jedes Jahr werden weitere Entdeckungen gemacht, die unser Verständnis vom Ursprung des Lebens erweitern. Wie bei jedem guten wissenschaftlichen Problem führt die Lösung eines Rätsels zu weiteren neuen und interessanteren Problemen, die es zu lösen gilt. Genauso sollte Wissenschaft funktionieren. Wissenschaftler zeigen nicht auf ein komplexes System, sagen, dass sie sich nicht vorstellen können, wie es durch natürliche Ursachen entstanden sein könnte, und werfen dann kapitulierend die Hände hoch, wie es Kreationisten tun. Anstatt zu behaupten, der Ursprung des Lebens sei unmöglich zu lösen, und auf unüberprüfbare, unwissenschaftliche “Gott der Lücken”-Argumente zurückzugreifen, haben Wissenschaftler enorme Fortschritte gemacht, die zeigen, wie das Leben entstanden sein kann. Wir werden vielleicht nie beobachten können, wie sich Leben aus Nicht-Leben im Reagenzglas entwickelt, aber wir haben mit Sicherheit gute experimentelle Belege dafür, wie die wichtigsten Schritte abliefen, so dass ein übernatürliches Eingreifen nicht nötig sind und eigentlich nur eine Ausrede fürs Nichtstun sind.

Dies ist die erste Episode zur Evolution des Menschen und wir sind gerade bei LUCA angekommen: das Leben ist entstanden, aber bis zum Menschen ist es ein sehr, sehr weiter Weg und in der nächsten Episode werden wir unseren Evolutionsweg hin zur ersten komplexen Zelle, den Eukaryoten, beschreiten.

Das Thema, wie wahrscheinlich die Entstehung des Lebens ist, wir in Kapitel 17 behandelt. Der Hyperzyklus wird im Kapitel zur RNA-Welt (Kapitel 14) näher behandelt.

Entstehung des Lebens Teil 14: Die RNA-Welt: https://internet-evoluzzer.de/die-rna-welt/

Wie wahrscheinlich ist die Entstehung des Lebens? https://internet-evoluzzer.de/wie-wahrscheinlich-ist-die-entstehung-des-lebens/