Die Entstehung des Lebens Teil 2: Forschungsgeschichte: Vitalismus – Urzeugung – Abiogenese

Wir haben im letzten Beitrag festgestellt, dass Wissenschaftler sich die Frage stellten, was Leben eigentlich ist und wie dieses entstanden ist. Leben charakterisiert sich durch eine Reihe von Merkmalen:

Stoffwechsel, Reizbarkeit, Homöostase, Fortpflanzung und Vererbung, Vorhandensein von Nukleinsäuren, Fähigkeit zur Evolution und der Zelle als kleinste Einheit des Lebens. Wie das Leben und die damit verknüpften Eigenschaften entstanden sind, wird durch den Wissenschaftszweig der Abiogenese erforscht. Wie das Leben entstanden ist und wie es sich von der unbelebten Materie unterscheidet, darüber gab es schon Vorstellungen in der Antike. Wie es aber zur wissenschaftlichen Erforschung der Abiogenese kam, dass soll dieser kurze historische Überblick zeigen.

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Vitalismus

 

Schon in der Antike gab es die Vorstellung, dass Leben eine gewisse „Kraft“ besitze, also einen bestimmten Lebensstoff oder Lebenskraft (vis vitalis) habe, welches belebte Systeme von unbelebten unterscheide. Diese Vorstellungen werden als „Vitalismus“ bezeichnet. Bedeutende Vertreter des Vitalismus in der Neuzeit (Abb. 1) waren z. B. Jan Baptist van Helmont (1577–1644), Georg Ernst Stahl (1659–1734) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). Der letzte bedeutende Biologe, der eine vitalistische Position vertrat noch im 20. Jh. vertrat (Neovitalismus), war Hans Driesch (1867–1941).

Abb. 1: wichtige Vertreter des Vitalismus

Diese Vorstellung kommt auch der Erfahrung nahe, die wir von unserem eigenen Dasein haben. Wir haben das Gefühl, dass unser Körper von etwas Nichtstofflichem „bewohnt“ und „gesteuert“ wird. Damit verbindet sich für viele Menschen auch die Vorstellung, dass beim Tod nur der stoffliche Körper stirbt, das Nichtstoffliche, die Seele, aber weiter besteht.

Die Auffassung, dass Leben auf zwei Bestandteilen beruht ist auch in vielen Religionen, insbesondere in den großen Weltreligionen, fest verankert.

Demgegenüber steht die Auffassung, dass es keine Trennung zwischen Materie und Geist gibt. Danach sind auch alle das Leben kennzeichnenden sowie alle seelischen und geistigen Erscheinungen bereits im Stofflichen, in der Materie, enthalten. Anders ausgedrückt: Die durch physikalische Gesetze bestimmten Wechselwirkungen der Materie in Raum und Zeit reichen auch für die Erklärung aller Lebenserscheinungen aus. Das, was wir als Bewusstsein, Geist oder Seele empfinden, existiert nicht unabhängig von stofflichen Vorgängen. Es ist vielmehr eng mit der Materie verbunden. Ohne Gehirn kein Geist.

Die Vorstellungen, dass lebende Systeme eine gewisse Lebenskraft besitzen, wurde historisch durch eine Reihe von Experimenten widerlegt.

Nachdem durch Arbeiten von Antoine Lavoisier (1743–1794, Abb. 2) und Joseph Priestley (1733–1804, Abb. 2) im 18. Jahrhundert die chemische Zusammensetzung der Luft aufgeklärt worden war (vgl. Bellone 1998, Willeford 1979), gelang Jan Ingenhousz (1730–1799, Abb. 2) und Nicloaus Theodore de Saussure (1767–1845, Abb. 2) die Aufklärung der Gasaustauschvorgänge bei den Pflanzen und damit auch die grundsätzliche Klärung der Fotosynthese (Ingenhousz 1779, De Saussure 1804).

Abb. 2: bedeutende Naturforscher des 18. Jh.

Friedrich Wöhler (1800–1882, Abb. 3) konnte 1828 den bis dahin als „organisch“ geltenden und damit nach vitalistischer Auffassung nur in Lebewesen erzeugbaren Harnstoff aus dem „anorganischen“ Ammoniumcyanat synthetisieren. Dies lieferte den Mechanisten ein wichtiges Argument gegen die von den Vitalisten angenommene besondere „Lebenskraft“ (McKie 1944, Ramberg 1967).

Abb. 3: Friedrich Wöhler und die Synthese des Harnstoffs

Durch die zunehmende Aufklärung der Biochemie, der Stoffwechselprozesse, des Aufbaus und Funktionen der Zelle, der Genetik und das Verständnis der Neurobiologie und Evolutionsbiologie führten dazu, dass vitalistische Erklärungsmodelle aufgegeben wurden. Alle Versuche der Vitalisten, die Existenz einer nichtmateriellen Lebenskraft zu beweisen, waren gescheitert.

Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass der „Geist“ und die Geisteswissenschaften, die Philosophie, Religion etc. – was immer wir auch darunter verstehen mögen trotzdem für unsere Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt und ihre Daseinsberechtigung haben. Sie sind aber eben keine Naturwissenschaften – daher werde ich es vermeiden z. B. die religiösen Gefühle der Menschen zu verurteilen, solange sie naturwissenschaftliche oder humanistische Grundsätze nicht angreifen. Nicht jeder gläubige Mensch ist Fundamentalist, Kreationist oder Wissenschaftsfeind.

 

Urzeugung

 

Zu den verbreiteten Irrtümern gehörte die Vorstellung von der Spontanerzeugung bzw. Urzeugung. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts glaubten die Menschen, auch große Gelehrte wie Lamarck, dass sich das Leben auf magische Weise aus dem Nicht-Leben entwickelt (vgl. Rauchfuß 2005: S. 7-11 für dieses Kapitel).

So sollten auf mysteriöse Wiese Mäuse, Frösche, Würmer und anderes Getier aus verrottendem Fleisch oder verdorbener Brühe spontan entstehen können. Der berühmte Arzt van Helmont demonstrierte ein Experiment zur „Urzeugung“ von Mäusen. Dazu musste man einen unverschlossenen Krug mit Weizen und verschwitzter Unterwäsche füllen. Nach etwa 21 Tagen konnte man Veränderungen feststellen – vor allem am Geruch! Ein bestimmtes „Ferment“ aus der Wäsche durchdringt den Weizen und verwandelt ihn in Mäuse, so die gängige Vorstellung (Abb. 4)

Abb. 4: Van Helmonts Experiment zur Urzeugung

 

Es gab aber auch kritische Beobachter. Der italienische Arzt und Dichter Francesco Redi (1626–1698) bewies, dass die weißen Maden in faulendem Fleisch aus den von Fliegen gelegten Eiern entstehen. Wird faulendes Fleisch in einem abgedeckten Gefäß aufbewahrt, so bilden sich keine Maden (Abb. 5). Trotz dieses Beweises behielt die These von der Urzeugung von Leben ihre attraktive Wirkung.

Abb. 5: Experiment von Redi, welches die Urzeugung widerlegte

Louis Joblot wies ebenfalls nach, dass es eine spontane Lebensentstehung nicht geben kann: Er stellte einen Heuextrakt her, bewahrte ihn in zwei Gefäßen auf, von denen eines sofort mit Pergament verschlossen wurde. Die Mikroorganismen wuchsen erwartungsgemäß nur in dem unverschlossenen Gefäß (Abb. 6).

Abb. 6: Das Experiment von Joblot zur Widerlegung der Urzeugung

In der Mitte des 18. Jahrhunderts entstand ein heftiger wissenschaftlicher Streit zwischen dem Engländer John Needham (1713–1781), sowie Georges-Louis de Buffon (1707–1788) und dem Italiener Lazarro Spallanzani (1729–1799) über die Urzeugung (Abb. 7).

Abb. 7: Needham und Buffon: Anhänger der Urzeugung, Spallanzani: Gegner der Urzeugung

 

Beide Lager führten ähnliche Versuche wie Joblot durch, kamen aber zu entgegengesetzten Ergebnissen. Needham füllte Hammelfleischbrühe oder andere organische Materialien in fest verschlossene Gefäße. Da er nicht steril gearbeitet hatte, bildeten sich Mikroorganismen in den Gefäßen. Er und Buffon deuteten dieses Ergebnis als Beweis für die Urzeugung. Dagegen führte Spallanzani seine Experimente sehr sorgfältig und steril durch – und kam zu einem völlig anderen Resultat. Es folgten auf beiden Seiten viele weitere Versuche. Die Kontrahenten konnten einander nicht überzeugen und so blieb die Frage der Urzeugung weiterhin offen (Abb. 8).

Abb. 8: Experimente von Needham und Spallanzani

Um 1860 stiftete die französische Akademie der Wissenschaft einen Preis für denjenigen Forscher, der eindeutig die Frage der Urzeugung klären kann. Es gelang Louis Pasteur (1822–1895) mit eleganten Versuchen nachzuweisen, dass eine de-novo-Synthese von Mikroorganismen aus den verschiedensten Ausgangsmaterialien organischen Ursprungs nicht möglich ist. Er wies nach, dass alle Mikroben von bereits existierenden Mikroorganismen abstammen. Pasteur zeigte, dass Luft Mikroorganismen in unterschiedlicher Verteilung enthält. Filtriert man die Luft durch Schießbaumwolle, so werden die Mikroorganismen zurückgehalten. Löst man die Schießbaumwolle anschließend in einem Ethanol-Ether-Gemisch, so lassen sich die Zellen sehr leicht mikroskopisch nachweisen. Bei der Übertragung auf sterile Nährböden vermehren sie sich. Erhitzt man jedoch die Luft, bevor man sie in die gekochte Nährbouillon einleitet, so werden die Keime abgetötet. Pasteurs Gegner argumentierten, er habe durch das Erhitzen des Luftstromes die Vitalkraft zerstört.
Um diese These zu widerlegen, benutzte Pasteur Schwanenhalsflaschen. Dabei hat zuvor nicht erhitzte Luft Zutritt zur sterilisierten Nährlösung. Aber in diesem Falle lagern sich die Keime aus der Luft in dem langen gebogenen Hals ab und gelangen nicht in das Nährmedium. Dagegen erlaubt ein abgebrochener Hals den Keimen ungehindertes Eindringen und damit die Vermehrung. Louis Pasteur erhielt 1864 den wohlverdienten Preis der Akademie als Anerkennung seiner Leistungen (Abb. 9).

Abb. 9: Das Experiment von Pasteur

Pasteur veröffentlichte den Grundsatz Omne vivum e vivo (lat. für ‚Alles Lebende entsteht aus Lebendem‘). Diese Aussage Pasteurs wird gerne von kreationistischer Seite verwendet um zu „beweisen“, dass Evolution unmöglich sei, da es die Entstehung des Lebens nicht erklären könne. Pasteurs Experimente bestätigten aber nur, dass komplexe Lebensformen wie Mäuse, Maden oder Bakterien nicht vollständig, in einem Schritt entstehen können, etwas was die Abiogenese auch nicht behauptet. Weiterhin sagen die Experimente von Pasteur, dass unter den heutigen Bedingungen Leben nur aus vorherigem Leben entstehen kann. Es gibt aber gute Anhaltspunkte dafür, dass bei der Entstehung des Lebens auf der Erde ganz andere Bedingungen herrschten. Zum einen gab es damals keinen freien Sauerstoff in der Atmosphäre, so dass andere chemische Prozesse ablaufen konnten, die bei Vorhandensein von Sauerstoff nicht möglich wären. Freier Sauerstoff (O2) ist ein sehr reaktives Molekül, dass viele chemische Prozesse stören lässt, z. B. rostet Eisen unter freiem Sauerstoff. Außerdem gab es bei der Entstehung des Lebens keine Konkurrenz durch andere lebende Organismen, so dass die Ozeane der Welt eine reichhaltige Suppe aus organischem Material waren, das leicht aufgenommen werden konnte. Heute werden fast alle Nährstoffe in den Weltmeeren von einer ganzen Reihe von Lebewesen schnell verbraucht, so dass es keine freien Materialien für einfache chemische Reaktionen, wie sie in der frühen Erde stattfanden, gab.

 

Beginn der Abiogenese-Forschung

Zur gleichen Zeit als Pasteur seine Experimente durchführte, wurden heftige wissenschaftliche Dispute um die Theorie von Charles Darwin (1809–1882) geführt. Darwin selbst äußerte sich zum Problem der Lebensentstehung nur sehr vorsichtig und zögernd. Die Zeit für eine solche Fragestellung war noch nicht reif, denn es fehlten einerseits die neuen Erkenntnisse der Zellbiologie und andererseits ein erweitertes Wissen über unseren Planeten, das Sonnensystem und den Kosmos.

Moderne Theorien und Erkenntnisse vorausahnend scheinen die Vorstellungen des bekannten Bonner Physiologen Eduard Pflüger (1829–1910) zu sein. Er nahm an, dass sich fundamentale Bestandteile des Protoplasmas unter den spezifischen Bedingungen der Urerde aus cyanidähnlichen Verbindungen bzw. deren Polymeren gebildet haben könnten (Pflüger 1875). Der Gedanke der Wanderung von Lebenskeimen durch den Kosmos fand bei weltweit anerkannten Naturforschern aktive Unterstützung, u. a. von Hermann von Helmholtz (1821-1894), William Thomson (später: Lord Kelvin; 1824-1907) und Svante Arrhenius (1859-1927, Abb. 10). Die Hypothese von den wandernden Lebenskeimen wurde von Arrhenius noch im Jahre 1927 vertreten, als er in der „Zeitschrift für Physikalische Chemie“ über seine Annahme berichtete, dass thermophile Bakterien, die ein paar Tage „Fahrzeit“ von der Venus durch den Strahlungsdruck der Sonne zur Erde befördert werden konnten (Arrhenius 1927).

Abb. 10: Frühe Vertreter des Abiogenese- und Panspermie-Gedanken

Der entscheidende Impuls, der die Biogenese-Frage in die naturwissenschaftliche Diskussion bringen sollte, kam aber aus der Sowjetunion. Da erschien 1924 ein Buch über die materiellen Grundlagen zur Entstehung von Leben auf der Erde. Der Autor war Alexandr Ivanovich Oparin (1894–1980), vom Bakh-Institut für Biochemie in Moskau (Oparin, 1924). In den Grundzügen beruht die Oparin-Hypothese auf folgenden Voraussetzungen:

  1. Die präbiotische Atmosphäre hatte reduzierende Eigenschaften. Daher
    lagen die Bioelemente C, O, N, S in ihrer reduzierten Form als CH4 , H2O, NH3 und Spuren von H2S vor.
  2. Diese „Uratmosphäre“ war verschiedenen Energieformen ausgesetzt,
    wie z. B. elektrischen Entladungen, solarer Strahlung und Hitze aus Vulkanen, die zur Bildung kleinerer, organischer Verbindungen führten.
  3. Diese Substanzen sammelten sich in der Hydrosphäre, die zu einer „verdünnten Suppe“ wurde. Aus dieser bildeten sich spontan die ersten Lebensformen.

Diese Hypothese wird heute nicht mehr in allen Punkten akzeptiert. Einige Annahmen über den physikalisch-chemischen Zustand der Urerde mussten als Folge neuer Forschungsergebnisse z. T. revidiert werden. Die Frage, wie Oparin auf die Idee kam, dass organische Moleküle aus Methan, Ammoniak, Wasser und Wasserstoff gebildet wurden, beantwortete er mit dem Hinweis, den er von Mendelejews Hypothese über den anorganischen Ursprung des Erdöls erhielt. Diese wurde später von Geologen widerlegt (Oparin, 1965). Für eine reduzierende Uratmosphäre sprach auch, dass freier Sauerstoff neugebildete organische Moleküle sofort oxidativ zerstört hätte. Außerdem war 1924 bereits bekannt, dass unsere Sonne größtenteils aus Wasserstoff besteht.
Nur vier Jahre nach dem Erscheinen der Arbeit von Oparin veröffentlichte der Engländer J. B. S. Haldane (1928) einen Artikel, der inhaltlich den Vorstellungen Oparins stark ähnelte. Wie inzwischen feststeht, hatte Haldane keinerlei Kenntnis von Oparins Publikation und beide Wissenschaftler kamen viele Jahre später bei ihrer ersten persönlichen Begegnung problemlos überein, Oparin den Vorrang einzuräumen.

Abb. 11: Oparin und Haldane: Pioniere der Abiogenese-Forschung

Übrigens kam Haldane durch völlig andere Beobachtungen zur Annahme einer reduzierenden Uratmosphäre. Er schloss aus der anaerob verlaufenden Glykolyse, die bei vielen Lebewesen die erste Quelle zur Energiegewinnung darstellt, auf eine reduzierende Umwelt in der das Leben entstanden sein müsste. Die zuvor beschriebene Annahme ging als „Oparin-Haldane-Hypothese“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. Oparin blieb, anders als Haldane, dem Biogenese-Problem bis zu seinem Lebensende verbunden, vor allem durch seine Arbeiten über die Bildung von Protozellen (vgl. Miller et al. 1997). Einige Wissenschaftler griffen Oparins Ideen auf, verwandten sie für eigene Konzepte und versuchten experimentell aus anorganischen Molekülen, organische Verbindungen aufzubauen.

Der mexikanische Wissenschaftler Alfonso Herrera (1868 – 1942, Abb. 12) berichtete 1942 in einer Arbeit mit dem Titel „Eine neue Theorie über den Ursprung und die Natur des Lebens“ über seine Studien mit „Sulphoben“ (Herrera 1942, Negrón-Mendoza 1995). Es handelt sich dabei um morphologische Einheiten („life-like forms“), die er bei Umsetzungen von Thiocyanat und Formalin erhielt. Sulphoben sind sphärische Gebilde mit 1–100 μm Durchmesser und fähig, mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung zu treten. Sulphoben zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit den von Oparin und seiner Schule eingehend untersuchten Koazervaten (Abb. 12).

Abb. 12: Alfonso Herrera und Alexander Oparin. Unten: Oparins Koazervate, die Ähnlichkeiten mit Herreras Sulphoben haben.

Einen anderen Charakter von Experimenten zur chemischen Evolution führten Groth und Suess, bzw. Garrison durch. Sie untersuchten, in welcher Form Energie in einer simulierten Uratmosphäre zugeführt werden muss, um aus anorganischen Kleinmolekülen organische Bausteine für Biomoleküle zu bilden. Groth und Suess (1938) forschten über die Einwirkung von UV-Licht auf einfache Molekülarten, während Garrison et al. (1951) ähnliche Experimente mit ionisierenden Strahlen durchführte. Dann kam das Jahr 1953 – und damit ein wissenschaftlicher Artikel in der angesehenen amerikanischen Zeitschrift „Science“ von einem bisher noch unbekannten Autor mit Namen: Stanley L. Miller (Abb. 13). Die Publikation trug den Titel: „A Production of Amino Acids under Possible Primitive Earth Conditions“ (Miller, 1953).

Abb. 13: Stanley Miller

In einer Fußnote dankt der junge Forscher seinem Doktorvater, dem Nobelpreisträger Harold C. Urey, für die Betreuung seiner Arbeit. So ging dieses Experiment als „Miller-Urey-Experiment“ in die Wissenschaftshistorie ein. Nicht nur die Öffentlichkeit war von diesem Erfolg beeindruckt, ebenso auch die kleine Gemeinde der Wissenschaftler, die mit der Frage der Lebensentstehung mehr oder minder intensiv befasst waren. Die gelungene Synthese von Proteinbausteinen aus einer simulierten Atmosphäre der Urerde, löste in einigen Laboratorien Aktivitäten aus, die im Laufe der Jahre zu wichtigen Ergebnissen führten. Die große Bedeutung des „Miller-Urey-Experimentes“ liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass erstmalig aufgezeigt wurde: das Problem des Lebensursprunges kann mit naturwissenschaftlichen Methoden, d. h. durch Experimente einer Lösung zugeführt werden. Damit werden wir uns im nächsten Beitrag befassen.

 

Literatur

Arrhenius, S. (1927): Z Phys Chem 130:516

Bellone, Enrico (1998, Hg.): Lavoisier: Die Revolution in der Chemie, Spektrum der Wissenschaft – Biographie, Mailand/Heidelberg

Bennett R. Willeford: Das Portrait: Joseph Priestley (1733–1804). In: Chemie in unserer Zeit. 13, 1979, S. 111–117, doi:10.1002/ciuz.19790130403

De Saussure, N. T. (1804): Recherches chimiques sur la Vegetation

Garrison, W. M., Morrison, D. C., Hamilton, J. G., Benson, A. A., Calvin, M. (1951): Reduction of carbon dioxide in aqueous solutions by ionizing radiation. Science 114(2964):416-8.

Groth, W., Suess, H. (1938): Bemerkungen zur Photochemie der Erdatmosphäre. Naturwissenschaften 26, 77. https://doi.org/10.1007/BF01773050

Haldane, J. B. S. (1928): The Origin of Life. Ratioonalist Annual 148: 3. Wiederabgedruckt in Science and Human Life. Harper Brothers, New York, 1933

Herrea, A. L. (1942): A New Theory of the Origin and Nature of Life, Science, 96, 2479.

Ingenhousz, J. (1779): Experiments upon Vegetables: Discovering their Great Power of Purifying the Common Air in the Sunshine and of Injuring it in the Shade at Night.

McKie, D. (1944): Wöhler’s synthetic Urea and the rejection of Vitalism: a chemical Legend. Nature. 152: 608–610.

Miller, S. L. (1953): A Production of Amino Acids Under Possible Primitive Earth Conditions. Science 117:528

Negrón-Mendoza, A. (1995): Alfonso L. Herrera: A Mexican pioneer in the study of chemical evolution. J Biol Phys 20: 11–15. https://doi.org/10.1007/BF00700417

Oparin, A. I. (1924): Der Ursprung des Lebens,1.Ausgabe (russ.: Proiskhozdenic Zhizni). Moskovskiy Rabochii, Moskau

Oparin, A. I. (1965): History of the subject matter of the conference. In: Fox, S. W. (Hrsg.): The Origins of Prebiological Systems. Academic Press, New York London: 91

Pflüger, E. (1875): Archiv für gesamte Physiologie 10:251

Ramberg, P. J. (1967): The Death of Vitalism and the Birth of organic Chemistry. Wöhler’s Urea Synthesis and the disciplinary Identity of organic Chemistry. Ambix. 47: 170–215.

Rauchfuß, H. (2005): Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens. Springer, Heidelberg

 

 

 

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