Sugar-Daddy? – Der Irrsinn des Kreationismus

Kreationismus ist der pseudowissenschaftliche Irrglaube, dass Evolution eine Lüge sei. Er ist, wie die Leugnung des anthropogenen Klimawandels, Homöopathie, Esoterik und die Impfgegner Ausdruck der Fäulniserscheinung einer untergehenden Gesellschaftsformation. Der Kreationismus hat, je nachdem welcher religiös-fundamentalistischen Ausrichtung man anhängt, unterschiedliche Facetten. Jedoch lassen sich in etwa zwei Hauptrichtungen erkennen: Zum einen gibt es die „Junge-Erde-Kreationisten“, also jene Fundamentalisten, die die Bibel wörtlich nehmen und das Alter der Erde auf etwa 6000 Jahre schätzen. Gott habe dabei die Erde in eben diesen 6 Tagen geschaffen. Zum anderen gibt es die „Alte-Erde-Kreationisten“, die zwar das hohe geologische Alter akzeptieren und die Bibel nicht ganz so wörtlich nehmen, den Evolutionsgedanken jedoch ablehnen. Wenn sich Arten wandeln, dann handelt es sich nicht um einen natürlichen Prozess, sondern ein „intelligenter Schöpfer“ ist am Werk. Hierzu gehört z. B. die „gap theory“. Diese erkennt das hohe Alter der Erde an. Die sechs Tage der Genesis geschahen erst nach einer langen Pause. Sehr alte Fossile gehören der ersten Periode an, deren Leben von Gott vor der Schöpfung Adam und Evas zerstört wurde. Nach der “day-age theory” sind die Tage der Genesis nicht wörtlich zu nehmen, sie können durchaus für Millionen von Jahren stehen. Im 20. Jahrhundert kam als dritte Interpretationsvariante die Fluttheorie von George McCready Price hinzu. Vor den sieben Tagen der Genesis wird eine lange Existenz ohne Leben zugestanden. Häufig tarnen sich besonders die „Alte-Erde-Kreationisten“ unter dem Decknamen des „Intelligent Design“, um sich „wissenschaftlich“ zu präsentieren. Es gab auch mehrere Versuche, vor allem in den USA, den Kreationismus als „Alternative“ zur Evolutionstheorie in den Schulen zu unterrichten. Doch die Wissenschaftlichkeit des Kreationismus und des „Intelligent Designs“ ist nur ein Etikettenschwindel.

Allen Kreationisten gemeinsam ist die spezielle Schöpfung der Arten durch Gott, was einer Ablehnung der natürlichen Selektion zur Erklärung der Artenvielfalt gleichkommt. Für Fundamentalisten ist die Bibel keine Sammlung von Mythen, Metaphern und Prophezeiungen, sondern Offenbarung Gottes. Sie ist daher wahr und enthält die wahren Fakten. Sie wird zum wissenschaftlichen Text. Widersprechende Aussagen der Naturwissenschaften müssen daher falsch sein. Die Wissenschaftlichkeit der Kreationisten und Intelligent Design-Anhänger ist gleich null. Ihnen fehlt jeglicher Beweis für ihre Theorie. Das einzige was sie machen ist, die Evolutionslehre Darwins durch pseudowissenschaftliche „Argumentation“ zu verleumden. Zur allgemeinen Argumentationsstruktur sei folgendes gesagt: Kreationisten vertrauen darauf, dass die Masse der Bevölkerung was wissenschaftliche Tatsachen angeht wenig bewandert ist und diese sind somit ein gefundenes Fressen für die Evolutionsgegner. Dabei verwenden sie eine Reihe von Taschenspielertricks, wie aus dem Zusammenhang gerissene Zitate oder Sachverhalte (Quote Mining). Nicht selten wird dabei das kritische Denken in der Wissenschaft missbraucht und da heutzutage alles was kritisch ist, oder sich als kritisch ausgibt, „in“ ist, fallen genügend Menschen auf diese Scharlatane rein. Dabei nutzen sie teilweise raffinierte, teilweise unfreiwillig komische Propagandatechniken – oder meist eine Mischung aus beidem. Dies zeigt sich u. a. in einem Comic, welcher von evangelikalen Christen herausgegeben wurde. Dieser Comic trägt den Titel „Big Daddy“ (deutsch: „Dein Papi?“, Autor: Jack Chick). Was sich erstmal nach dem Titel eines perversen Porno-Films anhört ist in Wirklichkeit eine Story bei dem ein „gläubiger“ Student, im Dialog mit einem Professor die Evolutionstheorie „widerlegt“. Es folg eine Auseinandersetzung mit den dort gebrachten Stilmitteln und den verbreiteten „Fakten“. Für Lesefaule findet sich das Comic auch als Video.

Der Comic fängt ganz „harmlos“ an:

Man schaue sich Seite 2 an: Ein Bild im Hintergrund von einem Schimpansen, der eine Banane isst, mit der Bildunterschrift: „Unser Vater“. Abgesehen davon, dass es ein Klischee darstellt, dass Affen Bananen essen, da Wildbananen nicht wirklich bekömmlich sind und völlig anders aussehen als unsere im Laden; außerdem stammt die Banane ursprünglich aus dem asiatischen Raum, Schimpansen sind eine Affenart aus Afrika. Was soll uns aber die Bildunterschrift sagen? Mein Vater ist zumindest kein Schimpanse und „unser Vater“ (im Sinne des Gebetes „Vater unser“) als Gottesbezug ist nicht stichhaltig, da kein Wissenschaftler – nicht mal Affen-Forscherinnen wie Jane Goodall und Diane Fossey – beten Affen als Götter an. Entscheidender ist aber die Frage des Professors: „Wie viele glauben an Evolution?“. Erstens würde diese Frage weder in einer Universität, noch in einer Schule so gestellt worden, zumindest nicht, wenn man wenigstens ein wenig Ahnung von Didaktik hat. Zweitens – und das ist viel wichtiger – Evolution, wie jede andere Wissenschaft auch, ist keine „Glaubensfrage“. Ob man an Evolution glaubt oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass Evolution existiert. Aber wie man auf Seite 3 sieht, es gibt einen mutigen jungen Mann, der anderen „Glaubens“ ist. Wie reagiert nun Herr Professor darauf? Seiten 4 bis 7 geben darüber Auskunft.

Wie wir sehen können – Herr Professor gerät in Rage, so als ob er vom Teufel besessen ist und will den armen Jungen erstmal rausschmeißen. Doch wie so typisch für jene, die vom Teufel geleitet werden, will er den guten, unschuldigen, ruhigen und braven Christen verführen, indem er ihn bloßstellen will. Wir wissen natürlich, dass nur Evolutions-Professoren solch abgrundtief bösartige Absichten haben, während die Christen immer sehr liebe und gütige Menschen sind. In einem muss man aber den Professor recht geben: Die Bibel zu zitieren ist in diesem Fall unwissenschaftlich. Nun schreit der Professor „Fakten, Fakten, Fakten“. Die „Fakten“, die der Herr Professor bringt, werden dann gekonnt vom christlichen Schüler „widerlegt“. Beginnen wir damit:

Alles Mikro?

Kommen wir zu den 6 Konzepten der Evolution, so haben wir das Problem, dass diese keine Konzepte der Evolution darstellen. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Unter Evolution versteht man nämlich in erster Linie die biologische Evolution und die ersten vier Konzepte haben eigentlich nichts mit der Evolution zu tun. Im Artikel „Was ist Evolution“ wurde beschrieben, dass „Evolution nichts weiter als die allmähliche Veränderung der Lebewesen durch Generationen und Zeiträume“ bezeichne. Das heißt nichts anderes, als dass sich die Evolutionsbiologie mit der Entwicklung der Lebewesen befasst. Sie gibt keinerlei Auskunft über die Entstehung des Universums, unserer Erde oder der Entstehung des Lebens. Auch wenn sicherlich Begriffe wie „chemische Evolution“ fallen, so haben sie trotz ihres Namens nichts mit Evolution im eigentlichen Sinne zu tun. Die Biologie hat jedoch kein Patent auf den Begriff der Evolution, sodass er auch in anderen Zusammenhängen Verwendung findet im Sinne eines „Entwicklungsgedanken“. So sind natürlich auch die Erde, das Weltall und Moleküle durch einen Entwicklungsprozess gegangen, doch diese haben völlig andere Grundkonzepte als die biologische Evolution. Der Wandel der Lebewesen unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten als der Wandel der Erde oder der Makromoleküle. Das heißt im Umkehrschluss, auch, dass diese „6 Konzepte“ (die keine sind) auch nicht miteinander im direkten Zusammenhang stehen. Natürlich muss sich die Erde entwickelt haben, damit sich das Leben entwickeln kann, doch folgen beide anderen Gesetzmäßigkeiten. Außerdem werden diese 6 Grundkonzepte völlig falsch dargestellt. „Kosmische Evolution“ beschreibt die Entstehung des Weltalls, der Sterne, Planeten usw. und nicht die Entstehung von Wasserstoff durch einen Urknall. Das beinhaltet auch damit Konzept 3, wobei der Begriff des „Gases“ völlig irreführend ist. Was soll mit Gas gemeint sein? Wasserdampf? Luft? Der Furz des Comic-Schreibers? Chemische Evolution beschreibt nicht die Entstehung höherer Elemente (was ist übrigens mit höher gemeint?), sondern den „Prozess der Synthese biochemisch wichtiger Moleküle aus einfachsten Molekülarten und einigen chemischen Elementen unter den (hypothetischen Bedingungen der präbiotischen Erde.“ (RAUCHFUß, H. 2005: Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens, S. 105). Die Entstehung der Elemente (also jener Stoffe, die wir im Periodensystem der Elemente wiederfinden – Wasserstoff (H), Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O) etc.) ist eher verbunden mit der kosmischen „Evolution“. Elemente verbinden sich zu Molekülen (aus einem Kohlenstoffatom und zwei Sauerstoffatomen entsteht Kohlenstoffdioxid CO2). Die chemische Evolution befasst sich mit der Entstehung derjenigen Moleküle, die für das Leben wichtig sind: Aminosäuren, Nukleinsäuren, Kohlenhydraten etc. Der Begriff der „Organischen Evolution“ (Konzept 4) existiert soweit nicht im deutschen Sprachraum. Im englischen gibt es die „organic evolution“, sie bezeichnet aber nicht die Entstehung des Lebens (schon gar nicht aus Gesteinen), sondern die Evolution der Lebewesen (also die Konzepte 5 und 6 im Comic). Die Entstehung des Lebens aus Biomolekülen, eine Wissenschaft, die eng mit der chemischen Evolution verbunden ist, wird geläufig als Abiogenese bezeichnet.

Es zeigt sich hier war wirklich ein Dilettant am Werk, der Null Plan hatte. Das trifft auch auf die Konzepte 5 und 6 zu, denn diese befassen sich tatsächlich mit der Evolution der Lebewesen: Mikro- und Makroevolution. Doch auch hier ist eine Trennung nicht wirklich sinnvoll, denn beides befasst sich mit der Evolution der Lebewesen, es unterscheiden sich lediglich die Betrachtungszeiträume. Doch der Comic definiert Mikro- und Makroevolution völlig falsch. Makroevolution wird im Comic als die Entstehung neuer TierARTEN definiert, Mikroevolution als Veränderungen innerhalb einer Art. Doch das trifft nicht zu. Ein Blick in diverse Evolutionslehrbücher beweist das:

KUTSCHERA (2006): Evolutionsbiologie, 2. Auflage, S. 278 (Glossar):

Mikro-/Makroevolution: Entstehung neuer Arten (bzw. Varietäten) auf Vorläuferformen (z. B. Fischart 1 -> Fischart 2) / evolutionäre Entwicklung neuer Baupläne, d. h. Phylogenie oberhalb des Artniveaus (z. B. Fisch -> Amphibium -> Reptil). Die Makroevolution ist in der Regel aus zahlreichen kleinen Mikroevolutionsschritten zusammengesetzt (additive Typogenese).

STORCH, WELSCH, WINK (2001): Evolutionsbiologie, S. 198:

Neben graduellen Veränderungen, wie sie die Rassen- und Artbildung beherrschen (Mikroevolution), wird für die Makroevolution also auch die mehr oder weniger unvermittelte Entstehung grundsätzlich neuer Organismen postuliert.

Futuyama (2007): Evolution, S. 552 (Glossar):

Makroevolution: diffuser Begriff, der in der Regel auf die Evolution wesentlicher phänotypischer Veränderungen angewandt wird, die so bedeutend sind, dass man die veränderte Abstammungslinie und deren Abkömmlinge in eine eigene Gattung oder in ein noch höheres Taxon stellt [vgl. auch Artikel zur Phylogenetischen Systematik].

Mikroevolution; diffuser Begriff, der in der Regel auf kurzzeitige evolutionäre Veränderungen innerhalb von Arten angewandt wird.

ZRZAVY, STORCH & MIHULKA (2004): Evolution – Ein Lese-Lehrbuch, S. 433, Box 7.1:

Mikroevolution fasst die Evolutionsprozesse zusammen, die über die graduelle Akkumulation kleiner Mutationen ablaufen und sich auf der Populationsebene (also der intraspezifischen Ebene) abspielen. Mikroevolution kann man in der Natur auch in kleinen Zeiträumen beobachten und erforschen. Unter Makroevolution werden dann die Entstehung und Entwicklung von Taxa der Arten (Gattungen, Familien, Ordnungen, Stämmen) verstanden, d h. die höhere Kladogenese [vgl. Artikel zur Phylogenetischen Systematik – I.E.]. Makroevolutionsereignisse bedürfen langer Zeitperioden, gehören der Vergangenheit an, sind damit nicht wiederholbar und lassen sich auch nicht experimentell verfolgen. (…) Es gibt ein ganzes Spektrum von Ansichten, beginnend mit der Meinung, dass Makroevolution nicht existiert bis zu der Ansicht, dass die Mikroevolution keine nennenswerte Bedeutung hat. Während einige Evolutionsbiologen zwischen beiden Evolutionsprozessen unterscheiden, lehnen andere die Differenzierung von Makro- und Mikroevolution ab, da sie einen zweiphasigen Verlauf der Evolution impliziert. Darwinisten und Neodarwinisten gehen davon aus, dass die Vorgänge der Makroevolution nach den gleichen Prinzipien wie die der Mikroevolution ablaufen; bei der Makroevolution handelt es sich demnach um eine Fortsetzung der Prozesse der Mikroevolution, wodurch die Grenze zwischen beiden Prozessen sehr subjektiv ist. Die Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroevolution ist somit eher methodisch-semantischer Natur.

Wenn wir es zusammenfassen: Mikroevolution untersucht die Veränderungen innerhalb einer Art (z. B. wenn einige Bakterien eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln) bzw. die Bildung neuer Arten (z. B., dass aus einer Finkenart, die auf die Galapagos-Inseln kam sich 14 Arten entwickelt hatten). Makroevolution beschreibt die evolutionäre Entwicklung über dem Artniveau, so z. B. die Entwicklung der Vögel aus Dinosauriern. Überschneidungen sind jedoch vorhanden, da auch manchmal die Bildung neuer Arten zur Makroevolution gezählt wird. Das was im Comic als Makroevolution unter Punkt 5 zusammengefasst wird (Entstehung von Pflanzen- und Tierarten) wäre der Definition nach ebenfalls Mikroevolution.

Grundsätzlich – nicht zuletzt aufgrund der Schwammigkeit dieser Begriffe – halte ich es auch für unklug zwischen Mikro- und Makroevolution zu unterscheiden. Viel eher wären Unterscheidungen wie Artbildung und Evolution von Bauplänen angebrachter. Zur Evolution der Baupläne im Tierreich siehe mein Artikel zur Konstruktionsmorphologie.

Aber wie man es nennen möchte. Die Aussage im Comic, dass lediglich das letzte Konzept sich wissenschaftlich nennen darf und ausreichend untersucht wurde, ist schlichtweg Unsinn. Ein Blick in diverse Lehrbücher zur Astronomie, Geologie und Evolution dürfte ausreichen.

Menschenskinder!

Das Lieblingsthema der Kreationisten ist natürlich die Evolution des Menschen, die größte Sünde der Evolutionsbiologie. Hier erwähnt der kleiner Hitler-Jugend-Christ, dass Richard Leakey, einer der berühmtesten Paläo-Anthropologen, ein menschliches Skelett unter einer Felsschicht fand, das 212 Mio. Jahre alt sein soll. Das Problem dieser Darstellung: es ist eine Ente.

Was Richard Leakey tatsächlich fand, war ein früher, primitiver Schädel in einer Gesteinsschicht, die etwas jünger als 2 Millionen Jahre ist. Die Eigenschaften und das Alter des Schädels stimmen weitgehend mit der menschlichen Evolution überein.

Der fragliche Schädel, KNM-ER 1470, ist nicht der eines normalen Menschen. Unter anderem liegt die Schädelkapazität (750 cm³) weit unter der eines durchschnittlichen modernen Menschen und das Gesicht ist viel robuster. Fast alle Anthropologen stimmen darin überein, dass dieser Schädel entweder ein sehr frühes Mitglied der Homo-Gattung (Homo rudolfensis) oder ein Mitglied einer anderen Hominiden-Gattung (z. B. Australopithecus oder Kenyanthropus) ist.

Die ursprüngliche Datierung des Gesteins bei über 200 Mio. Jahren war falsch, da die Probe mit älterem Vulkangestein kontaminiert war. Nachfolgende Datierungsmethoden ergaben ein Alter zwischen etwa 2,9 und 1,8 Mio. Jahren und in den frühen 80er Jahren wurde die Diskrepanz schließlich behoben und das Alter auf 1,8. Mio. Jahre datiert. Quelle

Weiteres zu KNM-ER 1470 findet sich hier und hier

Nun schauen wir uns aber die Karte an, die der Bursche von der Jesus-Jugend bei sich hat:

Dieses Schaubild ist so schlecht gemacht, dass man den Eindruck nicht los wird, dass dies ein Troll bewusst gemacht hat, um Christen dämlich aussehen zu lassen (zur Info: die Kreationisten meinen das aber todernst!). Schauen wir uns mal die Fossilien näher an:

  • Lucy: Lucy ist der Name eines Fossils der Art Australopithecus afarensis, welches 1974 in Äthiopien entdeckt wurde und datiert auf etwa 3,2 Mio. Jahre. Jedoch: Nicht ein einziger Wissenschaftler, schon gar kein Paläoanthropologe hält Lucy für eine Schimpansin, die aufrecht gehen kann. Nicht ein einziger. Wenn sie eine Schimpansin wäre, warum wurde ihr dann nicht der Artname Pan troglodytes gegeben, welches der wissenschaftliche Name für Schimpansen ist. Während Beckenknochen und Beine bei Australopithecus afarensis dem von Menschen ähneln, ist z. B. ihre Schädelanatomie denen nicht-menschlicher Primaten ähnlich: kleineres Hirnvolumen, größerer Gesichtsschädel etc. Die Stellung des großen Zehs hingegen ist “intermediär“. Während der große Zeh bei den Menschenaffen abgespreizt und somit zum Greifen geeignet ist, ist er beim Menschen verkleinert und bildet mit den anderen Zehen einen gemeinsam belastbaren Abrollapparat, das das Laufen auf zwei Beinen erleichtert. Bei Australopithecus afarensis ist die Abspreizung des Zehs noch leicht erkennbar, war aber zum Greifen nicht mehr geeignet (vgl. SCHRENK 2003: Die Frühzeit des Menschen).
  • Heidelberg-Mann: Die Aussage, dass der Heidelberg-Mensch nur auf einen Kieferknochen basiert, klingt danach, als ob die Existenz des Heidelberg-Menschen fragwürdig ist. Das Erste Fossil von Homo heidelbergensis war tatsächlich ein Kieferknochen, welches 1907 in der Nähe von Heidelberg gefunden wurde und ist etwa zwischen 400.000 und 700.000 Jahre alt. Der Unterkiefer ist robust und sehr groß und ähnelt Homo errectus, die Zähne sind jedoch kleiner. Er wird auch als die europäische Version des Homo errectus angesehen, nicht jedoch als „moderner Mensch“ (Homo sapiens). Den Unterkiefer von Homo heidelbergensis kann man sich auf dieser Seite anschauen. Jedoch ist das bei weitem nicht der einzige Fund dieser Spezies. Die englische Wikipediaseite gibt eine gut dokumentierte Auskunft über weitere Funde:  So entdeckte man H. heidelbergensis in anderen Regionen Deutschlands, in Frankreich, Spanien und sogar in Afrika. 1992 entdeckten spanische Wissenschaftler 5500 Knochen von 32 Individuen dieser Art, die 350.000 Jahre alt sind, darunter auch einen fast vollständigen Schädel. Es ist dem modernen Menschen näher als den Affen, hat aber eindeutig die Augenbrauenwülste und die niedrige Stirn einer vormodernen Spezies, vereint also moderne mit ursprünglichen Merkmalen und stellt somit eine Zwischenstufe dar.
  • Nebraska-Mann: Anders als der Comic weismachen will, basiert der Fund des Nebraska-Mannes nicht auf den Zahn eines Schweins, sondern den Zahn eines Pekaris. Pekaris sehen zwar aus wie Schweine und haben auf dem amerikanischen Kontinent dieselbe ökologische Funktion wie die Schweine der „Alten Welt“, sind jedoch eine andere Tiergruppe, die nur relativ entfernt miteinander verwandt sind. Das mag vielleicht kleinlich wirken, doch wenn Kreationisten mit biologischen Argumenten kommen, sollte man erwarten, dass sie diese Unterschiede kennen. Henry Osborn, der den Zahn untersuchte, glaubte, es handele sich um den Zahn eines Menschenaffen, und veröffentlichte diese Schlussfolgerung 1922 in Science. Weitere Arbeiten auf dem Feld deckten weitere Knochen auf, die zeigten, dass der ursprüngliche Zahn von einem ausgestorbenen Pekari stammte und nicht von einem Affen. Die Wissenschaft veröffentlichte 1927 einen Widerruf. Hier hat sich die Wissenschaft selbst korrigiert und keiner, der sich mit der Evolution des Menschen befasst, beruft sich auf den Nebraska-Mann. Mehr zum Nebraska-Mann
  • Piltdown-Mann: beim Piltdown-Mann handelt es sich tatsächlich um eine Fälschung. Piltdown Man (Eoanthropus dawsoni) wurde in England zwischen 1908 und 1912 von einem Amateur namens Charles Dawson entdeckt. Es bestand aus Teilen eines überraschend modern aussehenden Schädels mit einem affenähnlichen Unterkiefer. 1953 wurde Piltdown als Fälschung entdeckt, der aus einem modernen menschlichen Schädel und einem Orang-Utan-Kiefer bestand. Der Kiefer des modernen Affen war abgefeilt worden, um ihn menschlicher erscheinen zu lassen, wodurch der Betrug schwerer zu erkennen war als sonst. Lange zuvor war Piltdown im Vergleich zu allen anderen Fossilien der Hominiden zu einer rätselhaften Anomalie geworden, und die Wissenschaft war erleichtert, sie vergessen zu können. Der Schwindel wurde von Wissenschaftlern aufgedeckt und zeigte, wie die Wissenschaft seine Fehler korrigieren kann.
  • Peking-Mann: Die Aussage, dass die Beweise verschwunden sein, lässt darauf hindeuten, dass hier Wissenschaftler gepfuscht haben. Doch das ist nicht korrekt. Zwischen 1929 und 1937 wurden 15 Schädel und 11 Unterkieferknochen in der Nähe von Peking gefunden und sie wurden sorgfältig untersucht. Während die ursprünglichen Fossilien infolge der japanischen Invasion in China während des Zweiten Weltkriegs verloren gingen, haben wir detaillierte Beschreibungen und Abgüsse, die aus diesen Fossilien hergestellt wurden, und wir haben auch noch einige Zähne, die datiert werden können. Es ist also nicht wahr, dass “alle Beweise verschwunden sind”. Auch diese Fossilien waren Vertreter des Homo erectus, von dem Dutzende anderer Fossilien gefunden wurden, wie oben erwähnt. Quelle
  • Neandertal-Mann: Kreationisten verwenden häufig die Behauptung, dass der Neandertaler keine andere Menschenspezies war, sondern ein alter Mann, der Arthritis oder Gicht hatte, basierend auf einem Skelettfund aus Frankreich. Die Formulierung im Comic impliziert, dass dieses bestimmte Skelett der Hauptbeweis für Neandertaler ist, und impliziert auch, dass ein Gelehrter der Meinung war, dass dies das Skelett eines gewöhnlichen Mannes war, der zufällig älter war und Gicht hatte. Diese Punkte sind beide falsch. In Europa und im Nahen Osten sind über 400 Neandertaler-Skelette entdeckt worden, die sich durch besondere Merkmale vom modernen Menschen unterschieden. Einige dieser Skelette hatten auch sicherlich Krankheiten wie Arthritis oder Gicht. Entscheidend ist aber auch, dass der im Comic erwähnte Forscher (Dr. Cave) in seiner Studie auf Merkmale wie robuste Knochen und Muskulatur aufmerksam machte, die es vom heutigen Homo sapiens unterschieden. Mehr
  • Neu-Guinea-Mann: Dies ist nur eine betrügerische Ablenkung. Kein Lehrbuch oder eine andere wissenschaftliche Veröffentlichung bezieht sich auf „New Guinea Man“ (was auch immer das sein soll) als Bindeglied in der menschlichen Evolution. Es scheint, dass ein Kreationist diesen erfunden hat.
  • Cro-Magnon-Mensch: auch dies ist eine betrügerische Ablenkung. Die Wissenschaft sieht im Cro-Magnon-Menschen einen modernen Menschen (Homo sapiens). Nach meinem besten Wissen hat noch niemand behauptet, dass es einen Unterschied gibt. Mehr

Altersdatierung, Polystrate Fossilien und Kiemenspalten

Nun versagen die Kreationisten auch in allen anderen Bereichen; weiter im Comic

Seite 14 ist geradezu dämlich. Wer denkt, dass das Beispiel mit den 6 Konzepten der Evolution und der Evolution des Menschen nicht unterboten werden kann, der wird eines Besseren belehrt. Aussage: Das Alter der Erdschichten kann man durch die Fossilien bestimmen, die sie enthalten und das Alter der Fossilien ermittelt sich aus dem Alter der Erdschichten. Diese Argumentation würde sich tatsächlich im Kreis drehen. Die Frage ist nur: Für wie selten dämlich muss man die Wissenschaftler halten, dass sie solch einer Argumentation folgen?

Das Alter der Erdschichten wird nicht über die Fossilien bestimmt, sondern über radiometrische Datierung. Alle chemischen Elemente bestehen aus Atomen. Isotope sind dabei Atome in deren Kern sich zwar die gleiche Anzahl an positiv geladenen Protonen befindet, die Zahl der neutral geladenen Neutronen sich aber unterscheidet. Z. B. gibt es vom Element Wasserstoff (H) drei Isotope. Der eigentliche Wasserstoff, der nur ein positiv geladenes Proton im Kern hat (Protium), das Deuterium mit einem Proton und einem Neutron und das Tritium mit einem Proton und zwei Neutronen. Die chemischen Eigenschaften der Isotope sind im Wesentlichen identisch, sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Masse. Isotope kommen auch in einer unterschiedlichen Anzahl vor – das Wasserstoff-Isotop Protium mach 99,99% der Wasserstoffisotope aus. Nicht alle Isotope sind jedoch stabil (sog. Radionuklide), manche dieser Kerne zerfallen und wandeln sich unter Abgabe von Strahlung in andere Elemente um. Diese natürlich vorkommende Atomkernumwandlung wird auch als Radioaktivität bezeichnet und mit einer messbaren Strahlung verbunden. Je nachdem welche Elementarteilchen abgegeben werden unterscheidet man zwischen Alpha-Strahlung (Abgabe von zwei Protonen und 2 Neutronen = Heliumkern), Beta-Strahlung (Neutron zerfällt in ein positiv geladenes Proton und ein negativ geladenes Elektron. Das Proton verbleibt im Kern, das Elektron wird abgegeben) und Gamma-Strahlung (hier werden keine Kernteilchen abgegeben, sondern Gammastrahlung, die eine kurze Wellenlänge und hohe Energie haben). Dieser Zerfall solcher Isotope in ein anderes Element unter Freisetzung radioaktiver Strahlung erfolgt in einer konstanten, temperaturunabhängigen Geschwindigkeit, die als Halbwertszeit angegeben wird. Sie ist definiert als jene Zeit, die seit der Entstehung des Radionuklids abgelaufen ist, bist exakt die Hälfte der Probe zerfallen ist. Diesen konstanten Zerfall, der unter allen physikalischen Bedingungen gleich abläuft, nutzt man zur Datierung von Gesteinen, da viele Gesteine solche Radionuklide besitzen. Bekannt ist die Uran-Blei-Methode, die sich zur Datierung besonders alter Gesteine eignet. In Vulkan-, Granit- und daraus hervorgegangenen Sedimentgesteinen sind Zirkonkristalle eingeschlossen, bei deren Entstehung aufgrund der ähnlichen Atomradien von Zirkon (Zr) und Uran (U) die Kristalle mit Uran-Atomen durchsetzt sind. Das radioaktive Uran-Isotop Uran-238 zerfällt nach Einbau in diese Zirkonkristalle in Blei. Die Halbwertszeit beträgt etwa 4,5 Mrd. Jahre. Nach Extraktion der Isotope aus den Zirkonkristallen von Gesteinsproben und Ermittlung der Häufigkeit von Uran und Blei kann man unter Berücksichtigung der Halbwertszeit das absolute Alter der Gesteine seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung ermitteln. 1953 wurde somit das Alter der Erde bestimmt. Es gibt noch weitere Formen der radiometrischen Datierung. Anwendung findet z. B. auch die Kalium-Argon-Methode, die sich zur Bestimmung Kaliumhaltiger Gesteinsproben eignet, die maximal 500 Mio. Jahre alt sind. Das Kalum-40 -Isotop zerfällt dabei in Argon-40, die Halbwertszeit beträgt etwa 1,3 Mrd. Jahre. Die Uran-Blei sowie die Kalium-Argon-Methode wurden wiederholt zur Altersbestimmung derselben Gesteine eingesetzt. Die Werte waren im Rahmen eines Messfehlers von +/- 3% wiederholbar. Eine weitere häufige Methode der radiometrischen Datierung ist die Radiokarbon-Methode. Infolge der kosmischen Strahlung entsteht aus Stickstoff das Kohlenstoff-Isotop 14, das unter Reaktionen mit Sauerstoff in Kohlenstoffdioxid-14 umgewandelt wird und mit dem „normalen“ CO2 über die Photosynthese in pflanzliche und (über die Nahrungskette) tierische Gewebe eingebaut wird. Mit dem Tod des Organismus kommt es zu einer Abnahme des Kohlenstoff-14, wodurch das Alter der Organismen bestimmt werden kann. Die Halbwertszeit beträgt jedoch nur 5730 Jahre eignet sich diese Methode nur für organische Materialien, die nicht älter als 70.000 Jahre alt sind. KUTSCHERA (2006): Evolutionsbiologie, 2. Auflage, S. 86-87

Es lässt sich also zusammenfassen, dass das Alter der Gesteinsschichten nicht durch das Alter der Fossilien bestimmt wird.

Nun ist es aber nicht immer einfach und auch nicht immer möglich in Gesteinsschichten eine radiometrische Datierung durchzuführen. Nicht alle Gesteine eignen sich für solch eine absolute Altersbestimmung, auch in vielen Fossillagerstätten und wenn, dann sind solche Messverfahren auch sehr aufwendig. Jedoch gibt es in bestimmten Gesteinsschichten immer bestimmte Fossilien. Man nennt sie Leitfossilien. Sie sind bei der relativen Altersbestimmung hilfreich. Eine Gruppe ausgestorbener im Meer lebender Organismen, die als Leitfossilien gelten, sind z. B. Ammoniten. Jede Gesteinsschicht hat ihre eigenen Arten und Formen, sodass man sie entsprechend die geologischen Zeitepochen bestimmen kann. Wenn diese Fossilien existieren, können sie verwendet werden, um das Alter der Schichten zu bestimmen, da die Fossilien zeigen, dass die Schichten jenen Schichten entsprechen, die bereits mit anderen Mitteln datiert wurden. Diese relative Altersbestimmung ist als Ergänzung zur absoluten Altersbestimmung zu sehen.

Interessant wird auf Seite 15, dass der Christen-Junge behauptet, dass versteinerte Bäume gefunden wurden, die durch mehrere Schichten ragen. Man spricht von Polystraten Fossilien. Das sind solche Fossilien, die sich vertikal über mehrere geologische Bänke (lat. stratum) erstrecken, also über mehrere zusammenhängende Gesteinsschichten, die sich in Struktur, Farbe oder Material voneinander unterscheiden. Meist handelt es sich dabei um Baumstämme. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen geologischen Fachbegriff. Kreationisten nutzen dieses Phänomen, um zu beweisen, dass die Altersdatierungen falsch sind, die Erde jung ist (ob die Sonne kalt ist, wissen aber nur die wenigsten) und ein Beweis für die Sintflut sind. Doch auch hier erweist sich dies als einer der Dauerirrtümer der Kreationisten.  Allerdings wird von Geologen überhaupt nicht bestritten, dass die Ablagerungen an derartigen Fundstätten in relativ kurzer Zeit entstanden sind. Dafür kommen verschiedene Mechanismen in Frage: Vulkanausbrüche mit Ascheregen oder -fluten und Lavafluss, Überflutungen durch einen schnellen Anstieg des Meeresspiegels und anderes. Das kreationistische Argument ist daher ein Scheinargument. In der Geologie werden diese Ablagerungen nicht als besonderes Problem betrachtet.  (Vgl.:     William A. DiMichele, Howard J. Falcon-Lang: Pennsylvanian ‘fossil forests’ in growth position (T0 assemblages): origin, taphonomic bias and palaeoecological insights. Journal of the Geological Society, Vol. 168, No. 2, 03.2011, 585-605) weitere Informationen hier

Kommen wir nun zu Ernst Haeckel und seinen Zeichnungen. Im Comic wird behauptet, dass der deutsche Biologe Ernst Haeckel seine Zeichnungen der Embryonen gefälscht habe und die Hautfalten menschlicher Embryonen keine Kiemenschlitze darstellen und wir also nicht das Evolutionsstadium der Fische durchlaufen.

Für die Frage, ob sich die Embryonen ähneln, sind Haeckels Bilder unerheblich. Was zählt, sind die Embryonen selbst. Innerhalb einer Gruppe weisen frühe Embryonen viele Ähnlichkeiten auf. Beispielsweise entwickeln alle Wirbeltiere ein Notochord, Körpersegmente, Pharyngealtasche und einen postanalen Schwanz. Diese fundamentalen Ähnlichkeiten weisen auf eine gemeinsame Evolutionsgeschichte hin. Andere embryologische Ähnlichkeiten finden sich in anderen Abstammungslinien wie Weichtieren, Arthropoden und Anneliden. Diese Ähnlichkeiten sind seit langem bekannt. Professor Agassiz sagte zum Beispiel im Jahr 1849: “Wir stellen auch fest, dass die junge Fledermaus oder der junge Vogel oder die junge Schlange in bestimmten Phasen ihres Wachstums einander so ähnlich sind, dass es einen herausfordern würde den ein von dem anderen zu unterscheiden – oder zwischen einer Fledermaus und einer Schlange zu unterscheiden.“ (Scientific American 1849) Die Embryonen zeigen auch einige Unterschiede, die Haeckel beschönigte. Es sind jedoch auch Unterschiede zu erwarten, da die Tiere nicht alle gleich verwandt sind. Organismen, die weniger mit einander verwandt sind, unterscheiden sich auch im Embryonalstadium mehr. Als Haeckels Ungenauigkeiten aufgedeckt wurden, begannen die Autoren, korrigierte Versionen zu verwenden. Die Wissenschaft neigt dazu, sich selbst zu korrigieren. Die Pharyngealtasche stellt technisch gesehen keinen Kiemendar, kommt aber in allen Wirbeltierembryonen vor – so auch beim Menschen. Da sie als sich wiederholende Reihe von Schlitzen im Hals des Embryos auftreten können und dem Muster von sich wiederholenden Elementen im Hals erwachsener Fische ähneln, werden sie auch umgangssprachlich als “Kiemenschlitze” oder “Kiemenbogen” bezeichnet. Es handelt sich jedoch nicht um Kiemen – und Wissenschaftler behaupten nicht, dass dies der Fall ist. „Kiemenschlitze“ sind übliche Strukturen von Wirbeltierembryonen und sind an der Entwicklung wichtiger Strukturen der Kopfregion beteiligt. Bei Fischen entwickeln sie sich u. a. zu Kiemen (nebst anderen Organen), bei Säugetieren zu anderen Organen. Ein Beispiel sei erwähnt: Aus dem ersten Kiemenbogen (Mandibularbogen) entstehen große Teile des Gesichts, wie Oberkiefer (Maxilla), Unterkiefer (Mandibula) und Gaumen sowie bei Säugetieren die Gehörknöchelchen Hammer und Amboss (nicht jedoch der Steigbügel). Bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln entstehen statt der Gehörknöchelchen die Knochen des primären Kiefergelenks: Os articulare und Os quadratum. Wir haben hier eine Homologie embryonaler Strukturen, die auf eine gemeinsame Abstammung hinweisen. Weitere Informationen

Rudimentäre Organe und Rückbildung

Weiter geht’s es im Comic mit dem Thema der rudimentären Organe. Auffällig ist, dass der Bursche von der Jesus-Jugend hier von verkümmerten Organen spricht, um zu behaupten, dass diese angeblich verkümmerten und nutzlosen Organe eine wichtige Aufgabe erfüllen. Rudimentäre Organe (Rudimente) haben ihre Funktion im Verlauf der Evolution teilweise oder vollständig verloren. Diese Organe sind rückgebildet, sie sind noch als Rest vorhanden. In einigen Fällen ist auch ein Funktionswechsel zu verzeichnen. Verkümmert ist demnach eine falsche, gar verfälschende Bezeichnung. Es mögen 9 Muskeln am Steißbein befestigt sein, doch ist er der Rest eines Schwanzes. Es ist nicht auszuschließen, dass die Hinterextremitäten der Wale bei der Fortpflanzung eine Rolle spielen, doch erfüllen sie nicht mehr die Funktion als Beine zur Fortbewegung und sind daher rudimentär. Die Beckenknochen dienen damit nicht mehr der Fortbewegung, sondern nur noch als Ansatzstellen für Penis und Aftermuskeln (weswegen sie nicht zur Gänze verschwunden sind). Wirklich dumm wird es, wenn der Bursche von der Jesus-Jugend behauptet, es könne keine Evolution sein, wenn sich etwas zurückbilde. Das ist Unsinn zum Quadrat. Die Evolution folgt keiner Richtung und Rückbildung von Organen kann eine Spezialisierung auf einen neuen Lebensraum darstellen. Dabei kann auch ein Funktionswechsel eintreten, wie die Beckenknochen der Wale beweisen.

Übrigens: Welche wichtigen Funktionen erfüllen eigentlich bei uns noch die Weisheitszähne, außer dass Kieferchirurgen damit ihre sadistischen Vorlieben ausleben unschuldigen Menschen den Kiefer zu verrenken? 😊

Am Klebstoff schnüffeln?

Der letzte Argumentations-Irrsinn des Jesus-Jünger verlässt wieder den Bereich der Biologie und dringt ein in die Atomphysik. Der gute Junge fragt danach, was die Protonen im Atomkern zusammenhält, die ja alle positiv geladen sind. Der Professor sagt, es seien die Gluonen, doch der Bursche von der Jesus-Jugend sagt, dass deren Existenz nicht bewiesen wurde. Doch das ist mal wieder falsch. Gluonen (engl. to glue = kleben) sind Elementarteilchen, die indirekt für die Anziehung von Protonen und Neutronen in einem Atomkern verantwortlich sind. Sie wurden 1979 experimentell nachgewiesen.

Offensichtlich hätte der Bursche von der Jesus-Jugend nicht zu viel an seinen Gluonen (Klebstoff) schnüffeln sollen.

Der Herr Professor gibt sich geschlagen, er weiß keine Antworten mehr. Wie schließt der Comic ab?

Natürlich ist die Bibel die Antwort auf alles und jeden. Der Herr Professor gibt auf und will Evolution nicht mehr Unterrichten und wird natürlich von der satanischen Universität gefeuert.

Übrigens: die Quellen, auf die sich dieser Comic beruft stammen von Kent Hovind, ein christlich-fundamentalistischer Kreationist, der auf youtube durch mehrere Video-Auftritte bekannt ist. Seine Vorträge füllen ganze Säle und das macht diesen Spinner so gefährlich. Seine wissenschaftliche Qualifikation ist übrigens gleich null. Auf der Wikipedia-Seite zu Kent Hovind lesen wir:

Kent Hovind verfasste seine „Doktorarbeit“ in „Christlicher Erziehung“ mit dem Titel The Effects of Teaching Evolution on the Students in our Public School System („Die Auswirkungen des Evolutionstheorie-Unterrichts auf die Schüler in unseren öffentlichen Schulen“) an der Korrespondenz-Universität Patriot Bible University, das Studium dafür dauerte vier Wochen. Die Arbeit ist nicht ordentlich publiziert worden, denn sie kann über Universitätsbibliotheken nicht eingesehen oder bestellt werden. Dies widerspricht der Norm, denn Forschungsarbeiten sollen anderen Wissenschaftlern sowie Studenten zugänglich sein. Die Chemikerin Karen Bartelt erhielt die ursprüngliche, 101 Seiten lange Arbeit Hovinds von seiner damaligen Universität. Ihr Urteil war, dass Hovinds Dissertation keinesfalls den Namen „Doktorarbeit“ verdiene – denn fast sämtliche Kriterien, die an wissenschaftliche Werke gestellt werden, seien nicht erfüllt: Anstatt über die Beziehung zwischen der Lehre der Evolutionstheorie und der Schule zu schreiben, fülle er seine Arbeit mit längst widerlegter Kritik an der anerkannten Theorie (z. B. William Paley); und er ziehe sogar Parallelen zwischen dem Darwinismus und der NS-Ideologie, “Evolution theory […] it’s a foundation for humanism, racism, nazism, communism and a new world order.” (Kent Hovind: Preview-Video: Public School Presentation – Part 5, The Dangers of Evolution [Gesprochen zwischen Einblendungen einer wehenden Naziflagge und rollenden Panzern.]). Formulierungen und Rechtschreibung entsprächen nicht einmal dem Niveau eines College-Abgängers. Originalquelle: https://www.noanswersingenesis.org.au/bartelt_dissertation_on_hovind_thesis.htm

Auf gut Deutsch: Selbst Axel Stoll produziert wissenschaftlich höherwertige Arbeiten!

Übrigens musste Hovind 2006 wegen Steuerhinterziehung für 10 Jahre ins Gefängnis.

Nachtrag:

Es ist vielleicht nicht auszuschließen, dass meine Widerlegung dieses Comics etwas trocken und lang ist. Für jene, die gerne Comics lesen: es gibt eine wunderbare Parodie des Comics „Big Daddy“ und trägt den Namen „Who‘s Your Daddy?“ ein Genuss für jeden Comic-Fan und Kreationisten-Hasser.