Phylogenetische Systematik Teil 1: Taxonomie

Unsere belebte Welt zeichnet sich vor allem durch eines aus: eine unermessliche Vielfalt an Formen des Lebens. Mittlerweile kennt die Wissenschaft ca. 2 Millionen (2.000.000!) beschriebene, heute lebende Tier-, Pflanzen-, Pilz-, und Bakterienarten. Doch damit nicht genug: Jährlich werden tausende neue Arten beschrieben.  Aufgrund dieser Neuentdeckungen schwankt die Schätzung aller Arten auf unserem Planeten zwischen 3 und 100 Millionen. Wenn man bedenkt, dass im Laufe der Erdgeschichte 99% aller Arten ausstarben und wir von einer konservativen Zahl von 10 Mio. heute lebender Arten ausgehen, so brachte die Evolution mindestens 1 Milliarde unterschiedlicher Arten hervor! Wie einem Wunder gleich, so sind sie doch Produkte des natürlichen Ablaufs der Evolution.

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Die Zahl der unterschiedlichen Lebensformen ist mannigfaltig und diese muss erst einmal geordnet werden. Doch wie ordnen Biologen diese unermessliche Vielfalt an Leben? Hier sind zwei Begriffe von Wichtigkeit: Systematik und Taxonomie. Den meisten Menschen sind die Kriterien, wie man Lebewesen einordnet und klassifiziert nicht bekannt. Dieses Wissenschaftsfeld, also die Benennung und Klassifizierung eines Lebewesens, bezeichnet man als Taxonomie.  Die Systematik hingegen ist die Wissenschaft der Vielfalt der Organismen, die neben der Taxonomie auch ihre evolutionäre Verwandtschaft, Ökologie und die Biogeographie miteinschließt.

Es gibt viele verschiedene Arten Dinge zu klassifizieren. Das machen wir die ganze Zeit, wir ordnen z. B. Autos nach verschiedenen Marken – Mercedes, VW, Audi – oder nach ihren Bautypen – LKW, Combi, Kleinwagen. Auch in der Natur gibt es verschiedene Möglichkeiten Lebewesen zu klassifizieren. Z. B. teilen wir Lebensmittel in Getreide, Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch und Milchprodukte ein. Doch in der Biologie kommt man, was die Einteilung der Lebewesen angeht, auf einen Namen zurück: Carl von Linné. Er führte die sogenannte binäre Nomenklatur der Lebewesen ein. 1735 veröffentlichte er die erste Auflage Systema Naturae. Bis 1768 erfuhr diese Arbeit ihre 12. Auflage und Linné beschrieb über 7.700 Pflanzen- und 6.200 Tierarten.

Wie funktioniert das binäre Nomenklatursystem nach Linne?

Alle biologischen Arten, seien sie nun ausgestorben oder heute noch lebend, haben einen wissenschaftlichen Namen, der aus zwei Teilen besteht: dem Gattungsnamen und dem sogenannten Epitheton. Sie werden in der Fachliteratur in der Regel kursiv geschrieben. Die wissenschaftlichen Namen entstammen meist aus dem Griechischen oder Lateinischen. Einige Beispiele:

Panthera leo ist der wissenschaftliche Artname für den Löwen, Canis lupus für den Wolf und Homo sapiens für uns Menschen. “Löwe”, “Wolf” und “Mensch” werden in der Taxonomie als Trivialnamen bezeichnet, da sie in anderen Sprachen andere Bezeichnungen haben (z. B. im Englischen: “lion”, “wolf”, “human”). Die wissenschaftliche Bezeichnung wird jedoch überall anerkannt. Das ist der Vorteil dieser Form der Nomenklatur.

Wird eine Art in verschiedene Unterarten aufgeteilt kommt ein dritter Name hinzu: Vom Löwen werden z. B. verschiedene Unterarten anerkannt; der Indische Löwe heißt dann z. B. Panthera leo persica, der eiszeitlich ausgestorbene Höhlenlöwe hat den Namen Panthera leo spelaea, der ostafrikanische Massai-Löwe Panthera leo massaicus.

Das Prinzip der binären Nomenklatur ist streng hierarchisch. Die kleinste Einheit bildet die Art. Ähnliche Arten werden in Gattungen, ähnliche Gattungen in Familien, ähnliche Familien in Klassen und ähnliche Klassen in Stämme eingeteilt. Um dies mit dem Beispiel des Löwen zu verdeutlichen (vgl. auch Abb 1.):

Art: Panthera leo

Gattung: Panthera. Zur Gattung Panthera gehören u. a. auch Tiger (Panthera tigris), Leopard (Panthera pardus) und Jaguar (Panthera onca).

Familie: Felidae (Katzen): Zur Familie Felidae gehören neben den Vertretern der Gattung Panthera alle anderen Katzengattungen: Haus- und Wildkatze, Puma, Gepard, Luchs etc.

Ordnung: Carnivora (Fleischfresser): Zu dieser Ordnung zählen neben den Katzen u. a. auch Hunde, Bären, Marder und Robben

Klasse: Mammalia (Säugetiere): zur Klasse der Säugetiere zählen neben den Raubtieren alle anderen Säugetierordnungen: Huftiere, Affen etc.

Stamm: Wirbeltiere: Neben den Säugetieren zählen Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel zu den Wirbeltieren.

Abb. 1: Der Löwe im System von Linne

Alle Wirbeltiere werden dem Reich der Tiere zugeordnet und stehen z. B. dem Reich der Pflanzen gegenüber, welches ein ähnliches Klassifikationssystem aufzeigt.

Nach dem System von Linne gibt es diese sieben Kategorien und jedes Lebewesen wird in eine dieser Kategorien eingeteilt. Um die Arten richtig zu klassifizieren gibt es feste Regeln, von denen man nicht abweichen soll. So gibt es z. B. die internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur (International Code of Zoological Nomenclature, ICZN). Hierbei handelt es sich um eine Konvention, durch die die Benennung und Klassifikation aller Tierarten international geregelt wird.